Erfolgsfaktor Stimme: Der Ton macht die Musik

Die Stimme eines Menschen ist unverwechselbar. Und sie wirkt: Sowohl im Alltag als auch im Beruf beeinflussen wir damit unser Gegenüber. Stimmtrainer Frederik Beyer verrät im Interview, welche Wirkung die Stimme im Job hat, welche Besonderheiten in Online-Meetings zu beachten sind und wie sich die Stimme trainieren lässt. Außerdem geben wir Tipps, was man für seine Stimmgesundheit tun kann und wie man die Stimme in Vorträgen gezielt einsetzen kann, um besser bei seinem Publikum anzukommen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Stimme ist von enormer Bedeutung: Sowohl privat als auch beruflich beeinflusst sie maßgeblich unsere Kommunikation.
  • Gerade in wichtigen beruflichen Situationen – etwa bei Präsentationen oder Gehaltsverhandlungen – ist die Stimme ein entscheidender Erfolgsfaktor.
  • Stimmtrainer Frederik Beyer gibt im Interview Tipps, wie Arbeitnehmer:innen ihre Stimme im Job gewinnbringend einsetzen können.
  • Bei Vorträgen kommt es ihm zufolge vor allem auf Lebendigkeit im Sprechausdruck an: Man sollte mit Höhen und Tiefen, laut und leise, schnell und langsam sprechen.
  • Die Stimmgesundheit ist ein wichtiger Faktor, wird aber von Unternehmen oft vernachlässigt. Sie lässt sich durch einen gesunden Lebensstil nachhaltig fördern.
Frau in Business Kleidung telefoniert
Die Stimme wird für den beruflichen Erfolg oft unterschätzt. Wir erläutern, wie sie sich trainieren und vorteilhaft einsetzen lässt. iStock/ Raul_Mellado

Rufen Sie sich bitte kurz Barack Obama und Micky Maus ins Gedächtnis. Barack Obama und Micky Maus? Ja, richtig gelesen. Denn beide Persönlichkeiten, der ehemalige US-Präsident und die wohl bekannteste Zeichentrick- und Comic-Figur der Welt, haben eine Sache gemeinsam: eine markante, unverwechselbare Stimme – die unterschiedlicher wohl nicht sein könnte. Während Obama eine tiefe und klare Stimme pflegt, klingt die berühmte Maus hoch und piepsig – weshalb es im Netz auch nicht an Anleitungen mangelt, wie man mithilfe von Helium kurzzeitig eine „Micky-Maus-Stimme“ bekommt. Die Frage, wem von den beiden Sie lieber eine Stunde lang zuhören würden, lassen wir an dieser Stelle unbeantwortet. Die beiden Beispiele illustrieren jedoch eine Sache sehr gut: die große Bedeutung unserer Stimme.

Die Wirkung der Stimme

Mögen Sie Ihre Stimme? Wenn Sie eher unzufrieden damit sind, befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Denn Umfragen zufolge hadert rund jede/r Fünfte damit. Dabei ist die Stimme von enormer Bedeutung: Sowohl privat als auch beruflich beeinflusst sie maßgeblich unsere Kommunikation. Wie unsere Worte wirken, hängt wesentlich von drei Faktoren ab: dem Inhalt, der Körpersprache – also Gestik und Mimik – und eben unserer Stimme, die von Tonfall, Betonung und Artikulation geprägt wird.

Mit unserem Sprech-Organ berühren und inspirieren wir andere und verleihen dem Gesprochenen Dynamik. Gerade im beruflichen Kontext sollten wir uns dessen bewusst sein. Wenn wir zum Beispiel in einer Gehaltsverhandlung unsere Stimme fest und stabil halten und gleichzeitig Gelassenheit ausstrahlen, wirkt dies selbstbewusst und kann daher sehr förderlich sein. Auch bei Vorträgen oder in Team-Meetings hängt die Wirkung des Gesprochenen maßgeblich davon ab, wie es vorgetragen wird. Eine leise oder flattrige Stimme wird in der Regel eher als Zeichen der Unsicherheit gewertet. Die Stimme ist darüber hinaus auch entscheidend dafür, ob wir eine Person sympathisch finden oder nicht – je höher Bildungsgrad und Lebenserfahrung, desto stärker ist diese Wirkung.

Das sagt die Wissenschaft

Wissenschaftlich gesehen gibt es allerdings kaum gesicherte Erkenntnisse über die Wirkung der Stimmung im beruflichen Kontext. Die Studien des US-Psychologen Albert Mehrabian zur Wort-Wirkung aus dem Jahr 1967 werden oft herangezogen und fälschlicherweise so interpretiert, dass es nur zu 7 Prozent auf den Inhalt ankommt und Körpersprache (55 Prozent), sowie Stimme (38 Prozent) die entscheidenden Faktoren sind. Das ist jedoch nicht korrekt, wie der Autor selbst in einem Interview klargestellt hat. Seine Untersuchungen zeigen vielmehr, dass Stimmlage und Körpersprache mit dem Inhalt des Gesagten übereinstimmen müssen, ansonsten geht die inhaltliche Botschaft weitgehend verloren.
Was hingegen gut untersucht ist: Männer mit tiefen Stimmen werden als attraktiver und kompetenter wahrgenommen, wohingegen Frauen mit hohen Stimmen von Männern als jünger eingestuft werden, nicht jedoch als attraktiver.

©Lenny Mueller

Sie werden jetzt vielleicht denken, an der Stimme kann man doch ohnehin nichts ändern. Das ist nicht ganz der Fall. Die Stimme ist Ausdruck der Persönlichkeit eines Menschen, doch das bedeutet nicht, dass sie immer gleich klingen muss. Sie ist ein vielseitiges Werkzeug, das wir mit dem nötigen Know-how bewusst anwenden können. Doch wie lässt sich die Stimme nun trainieren und im Arbeitsalltag vorteilhaft einsetzen? Und wie bleibt die Stimme gesund und wohltönend? Diese Fragen haben wir dem Stimmtrainer Frederik Beyer gestellt, der als ehemaliger Nachrichtensprecher ein Profi auf dem Gebiet ist und sein Wissen in Coachings unter anderem an Führungskräfte weitergibt.

Experte Frederik Beyer im Interview

Herr Beyer, bekommt die Stimme im beruflichen Kontext die Aufmerksamkeit, die sie verdient?

Seit ungefähr zehn Jahren gibt es immer mehr Stimmtrainer am Markt und die Sensibilität der Führungskräfte und Personalentscheider für das Thema hat deutlich zugenommen. Das heißt, man weiß um die Bedeutung der Stimme als Gesundheitsgut der Mitarbeiter und um ihre Wirkung als Werkzeug in der Kommunikation. Mittlerweile ist es weitgehend bekannt, dass die Stimme maßgeblich dafür verantwortlich ist, wie ich wirke und ob ich bei meinem Gegenüber Türen öffne oder schließe.

Telefon- und Videokonferenzen gehören mittlerweile wie selbstverständlich zu unserem Job. Welche Unterschiede gibt es zu Präsenz-Meetings?

Was zunächst wichtig ist: Stimme bleibt Stimme und ich bleibe ich selbst. Aber es gibt natürlich Unterschiede zwischen Online- und Präsenzmeetings. In Videokonferenzen kommt es zum Beispiel darauf an, dass die Tonqualität gut ist. Untersuchungen zur Zoom-Fatigue haben gezeigt, dass Störgeräusche vom Inhalt des Gesagten ablenken und sogar Stress verursachen können. Aber auch die Raumakustik oder die Luftfeuchtigkeit haben beispielsweise Einfluss auf die Stimme.

Was gibt es sonst noch zu beachten?

Viele Menschen denken darüber hinaus, dass sie in der Onlinekommunikation besonders laut sprechen müssen – ich nenne das den Freisprecheinrichtungs-Effekt, den wir vom Telefonieren während des Autofahrens kennen. Zu lautes Sprechen strengt die Stimme aber über Gebühr an und führt dazu, dass sich die Zuhörer überfahren fühlen. Deshalb sollte man auch in Onlinemeetings gelassen und unaufgeregt kommunizieren.

Wie baut man ein positives Verhältnis zur eigenen Stimme auf?

Ich erlebe es in meinen Seminaren, dass ganz viele Teilnehmer ihre Stimme nicht mögen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Stimme ein Teil von unserer Persönlichkeit ist, lehnen wir genau diesen Teil mehr oder minder ab und wundern uns dann, warum wir nicht überzeugend auftreten. Es geht darum, die eigene Stimme in Besitz zu nehmen, sie zu akzeptieren und lieb zu gewinnen. Wenn man seine Stimme mag, besitzt man eine natürliche, stimmige Überzeugungskraft. Dann erzielt man auch eine Stimmigkeit zwischen Innen und Außen, zwischen Schein und Sein.
Hilfreich kann es sein, öfter mal eigene Sprachnachrichten abzuhören. Damit hält man sich einen akustischen Spiegel vor. Je öfter man seine eigene Stimme hört, desto leichter fällt es einem, sie zu akzeptieren und dann hat man bald keine Identifikationsprobleme mehr. Das kann ich aus meiner eigenen Erfahrung als Nachrichtensprecher beim Mitteldeutschen Rundfunk bestätigen.

Wie kann man seine Stimme ändern, wenn man damit unzufrieden ist?

Zunächst mal ist es wichtig, seine Stimme zu akzeptieren. Ausgehend von diesem Punkt kann man seine Stimme entwickeln. Denn Stimme ist kein Schicksal – das heißt, sie ist nicht unveränderlich wie etwa die Körpergröße. Stimme ist eine Fähigkeit wie Schreiben oder Jonglieren, man kann sie einüben und verfeinern. Zum Beispiel kann man lernen, deutlicher oder kraftvoller zu sprechen. Manchen wollen auch klangvoller oder lebendiger sprechen und Verzögerungslaute wie „Ähm“ vermeiden. Ansonsten ist es – insbesondere bei Vorträgen – auch empfehlenswert, beim Sprechen eine aufrechte Körperhaltung einzunehmen, sich Raum zu nehmen und tief in den Bauch zu atmen.


+++ So bleibt Ihre Stimme gesund – 5 Tipps von Frederik Beyer +++

Wer ein paar Dinge beachtet, kann seine Stimme dauerhaft gesund und leistungsstark halten. Informationsquelle: Frederik Beyer, Erfolgsfaktor Stimme.

Kann es sinnvoll sein, sich Vorbilder in Sachen Stimme zu suchen?

Mein Motto lautet: Be the voice, not the echo (dt. Übersetzung: „Sei die Stimme, nicht das Echo“). Das spiegelt die Sehnsucht der Menschen nach Authentizität und Stimmigkeit wider. Heißt: Man ist mit sich selbst verbunden und die innere und äußere Haltung harmonieren. Es geht darum, sich selbst auf die Spur zu kommen und zum Ausdruck zu bringen und nicht anderen nachzueifern oder sie zu kopieren.

Warum ist es für Unternehmen wichtig, dass ihre Mitarbeitenden eine gesunde Stimme haben?

Stimmgesundheit wird dramatisch unterschätzt: Es gehen der deutschen Wirtschaft jährlich nach Schätzung 20 bis 30 Milliarden verloren aufgrund von Schnupfen, Husten oder Erkältungskrankheiten, die mit der Stimme korrespondieren. Das heißt, Mitarbeiter bleiben zu Hause, weil sie einen Infekt haben, oder sie schleppen sich sogar auf Arbeit, Stichwort Präsentismus, und stecken andere an.
Ansonsten ist die Luftfeuchtigkeit in den Räumen oft zu gering, sie sollte circa 50 Prozent betragen. Wenn die Luft zu trocken und stickig ist, trocknen die Schleimhäute aus.


Exkurs: Keine Angst vor Präsentationen

Viele von uns kennen das Gefühl: Vor einer Präsentation ist einem oft bange. Das merkt man dann auch an der Stimme. Was kann man tun, um souveräner zu wirken? „Generell kommt es auf eine Lebendigkeit im Sprechausdruck an – das heißt, man sollte mit Höhen und Tiefen, laut und leise, schnell und langsam sprechen. Die Stimme zu trainieren, ist ein langfristiger Prozess. Wichtig sind das tägliche Üben und die Bewusstheit im Alltag“, sagt Frederik Beyer. Außerdem hat der Stimmcoach folgende konkrete Tipps für Vorträge und Präsentationen:

  • Wenn Sie einen Vortrag halten, ein Meeting leiten, oder ein geschäftliches Telefonat führen wollen, dann bereiten Sie sich inhaltlich gut vor. So fühlen Sie sich sicherer, das zeigt sich auch im Stimmklang.
  • Planen Sie genügend Pufferzeit ein, so dass Sie sich nicht hetzen müssen, sondern ruhig und gelassen in den Termin gehen können.
  • Wärmen Sie Ihre Stimme auf – besonders dann, wenn Sie an diesem Tag bislang noch wenig oder gar nicht gesprochen haben. Ideales Warm-up: genüsslich Kauen und Summen (Kaustimme).
  • Achten Sie auf eine aufrechte Körperhaltung, nehmen Sie sich Raum! Atmen Sie tief in den Bauch.
  • Sprechen Sie nicht zu schnell, machen Sie Pausen. Die Pausen erlauben Ihren Zuhörern zu verstehen, was Sie gesagt haben. Durch Pausen wirken Sie souveräner.
  • Trinken Sie ab und an einen Schluck stilles Wasser, um so die Schleimhäute feucht zu halten.

Literaturempfehlung:

Wiltrud Föcking, Marco Parrino: Starke Stimme - Stark im Job, Springer 2019.

Fazit

Die Stimme ist für den beruflichen Erfolg von nicht zu unterschätzender Bedeutung – diese Erkenntnis setzt sich langsam aber sicher in der Arbeitswelt durch. Mit ein paar einfachen Tricks, gezielten Übungen und gegebenenfalls einem professionellen Coaching, können Arbeitnehmer:innen die Stimme stärken und sie so gewinnbringend für ihre Karriereziele einbringen. Dabei sollte man stets eine Sache nicht vergessen – die Stimmgesundheit. Ein ausgewogener Lebensstil mit gesunder Ernährung und regelmäßiger Bewegung trägt dazu bei, dass die Stimme langfristig fit bleibt. Wenn sie dennoch mal angeschlagen ist, helfen vor allem Stimmpausen, viel Wasser und Kräutertee trinken und beispielsweise Salbeibonbons. Übrigens: Am 16. April ist der Internationale Tag der Stimme – ein guter Anlass, um das Thema in ihrem Unternehmen auf die Agenda zu setzen.


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Stand des Artikels: 03.04.2023
Die Autorin

Alina Nagel

MEDISinn-Redaktion
Die Autorin

Yvonne Müller

MEDISinn-Redaktion

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