Wissen, was war: Wie Gedächtnistraining Ihre Mitarbeitenden motiviert

Mit gezieltem Training lässt sich die Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses verbessern. Das kann gelingen, indem man als Einzelne(r) Übungen macht – oder indem Mitarbeitenden ein Gedächtnistraining von Unternehmensseite aus angeboten wird. Erfahren Sie hier, wie das funktioniert und worauf es dabei ankommt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Arbeitsgedächtnis ist das entscheidende Gedächtnis im Alltag. Es besteht aus der phonologischen Schleife, dem räumlich-visuellen Notizblock und der Zentral-Exekutive.
  • Das Arbeitsgedächtnis lässt sich trainieren.
  • Es lässt sich auch entlasten. Die To-Do-Liste ist beispielsweise ein klassisches Werkzeug, um das Arbeitsgedächtnis freizubekommen.
  • Life Kinetik hat sich als besonders wirksame Methode erwiesen, um das Arbeitsgedächtnis zu stimulieren.
  • Auch als Unternehmen kann man etwas für das Gedächtnis der Mitarbeitenden tun. Einerseits, indem man Experten:innen einlädt, andererseits, indem man interne Abläufe und Strukturen vereinheitlicht und standardisiert.
Unser Arbeitsgedächtnis lässt sich trainieren. Eine besonders wirksame Methode, um das Gedächtnis zu stimulieren und die individuelle Leistungsfähigkeit zu steigern, ist Life Kinetik. Bildquelle: istock/ alexsl

Jedes Menschenleben ist im Grunde eine lange Reihe von Erlebnissen und Erfahrungen, die aufeinander aufbauen. Doch erst die Erinnerung formt aus alldem eine Persönlichkeit. Zusammengehalten werden die Erinnerungen durch unser Gedächtnis: Es sammelt unsere Vergangenheit, prägt unseren Blick auf die Zukunft. Und in der Gegenwart ist es nicht selten eine sehr praktische Hilfe.

Das gilt natürlich auch im Joballtag: Wenn ein Kunde anruft und wir schon beim Hören seines Namens einordnen können, um welches Thema es geht. Wenn wir nach einem Meeting-Marathon noch wissen, was die wichtigsten Punkte waren. Oder wenn wir bei einer Neuentwicklung sowohl Erfahrungswissen als auch den aktuellen Stand der Forschung recht detailliert im Kopf haben, um daraus neue Ansatzpunkte zum Weitermachen kombinieren zu können. Ein besseres Gedächtnis macht den beruflichen Alltag leichter und steigert die Leistungsfähigkeit. Allerdings kommt es nicht von allein: Für einen fitten Geist muss man ebenso trainieren wie für einen fitten Körper.

Auf das Arbeitsgedächtnis kommt es an

Mit entscheidend für eine gute Erinnerung ist das sogenannte Arbeitsgedächtnis. Der Begriff wurde in den 1970er-Jahren vom britischen Psychologen Alan Baddeley geprägt. Das Arbeitsgedächtnis ist ein Teil des Kurzzeitgedächtnisses und dafür da, um kurzfristig Informationen zu speichern und zu verarbeiten. Es wird beispielsweise zum Lesen und Schreiben benötigt.

Das Arbeitsgedächtnis besteht aus drei Teilen, die jeweils in verschiedenen Hirnregionen angesiedelt sind:

  1. Die phonologische Schleife: Sie nimmt akustische Informationen – zum Beispiel Gesprochenes – auf und sorgt durch ein stummes Wiederholen im Kopf dafür, dass die Inhalte eher gespeichert werden.
  2. Der räumlich-visuelle Notizblock: Er nimmt visuelle Informationen – zum Beispiel Geschriebenes oder Bilder – auf und ordnet sie ein
  3. Die sogenannte „zentrale Exekutive“: Sie ist im Grunde eine Art Aufmerksamkeitsscheinwerfer, der priorisiert. Hier wird entschieden, welche Inhalte aus der phonologischen Schleife und dem räumlich-visuellen Notizblock weiter beobachtet, zusammengefasst und gespeichert werden sollen – und was schnell wieder vergessen werden kann. Die zentrale Exekutive ist auch deshalb wichtig, weil im Arbeitsgedächtnis immer nur für ungefähr sieben Informationseinheiten Platz ist, diese Begrenzung wird in der Psychologie auch Millersche Zahl genannt.
    Diese Zahl lässt sich auch durch Training kaum erweitern. Darum ist es wichtig, den Aufmerksamkeitsscheinwerfer zu berücksichtigen, wenn wir anderen Informationen vermitteln wollen. Bei Präsentationen etwa sollten wir nicht mehr als sieben Aussagen auf einer Folie formulieren. Argumentationsketten sollten sieben Glieder nicht überschreiten. Und die Darstellung verschiedener Strukturen sollte höchstens sieben Ebenen haben.

Das klingt alles recht abstrakt. Aber auch jetzt – während Sie diesen Artikel lesen – ist das Arbeitsgedächtnis ständig im Einsatz und bestimmt über die kurzfristige und teilweise auch über die langfristige Leistungsfähigkeit Ihres Gedächtnisses.

Kleine Gedächtnisübung
Merken Sie sich doch bitte folgende sechs Wörter: ZITRONE, HOMEOFFICE, COMPUTER, SALBEI, BAUM, PAUSE.

Unser Arbeitsgedächtnis besteht aus drei Teilen: der phonologischen Schleife, die akustische Informationen aufnimmt, dem räumlich-visuellen Notizblock, der visuelle Informationen verarbeitet und der zentralen Exekutive, die die Informationen aus den beiden anderen Teilen priorisiert und entsprechend speichert.

Gehirnjogging hilft auf seine Weise

Wenngleich die Millersche Zahl kaum erweitert werden kann, so zeigen Studien dennoch, dass das Arbeitsgedächtnis insgesamt mit etwas Training womöglich wirksam verbessert werden kann. Allerdings gilt dies vornehmlich für die Fertigkeiten, die auch trainiert werden. Wer regelmäßig Zahlenfolgen lernt, kann sich im Anschluss womöglich leichter Telefonnummern merken. Er wird dadurch aber nicht automatisch besser darin, Kombinationsaufgaben zu lösen.

Klassische Gedächtnistrainings-Übungen sind zum Beispiel:

  • Das Rekapitulieren von Ziffern oder Buchstaben, die zuvor gezeigt (räumlich-visueller Notizblock) oder genannt (phonologische Schleife) wurden
  • Das Erinnern an verschiedene, zuvor gezeigte, Bilder oder Orte
  • Das Sortieren bestimmter Ziffern, Zahlen oder Bilder in einer vorher gezeigten Reihenfolge

Solche und ähnliche Übungen kann man – teilweise anregend und unterhaltsam gestaltet – täglich zum Beispiel mit Apps absolvieren, zum Beispiel mit „NeuroNation Gedächtnistraining“ oder mit „Memorado Gehirnjogging“.

Wer sein Arbeitsgedächtnis entlastet, kann produktiver arbeiten

Näher am Alltag und somit praktikabler sind diese vier Tricks und Möglichkeiten, um das Arbeitsgedächtnis zu entlasten – und so die Performance zu steigern.

  1. Bildergeschichte: Erinnern Sie sich noch an die sechs Wörter von oben? Wer daraus eine Bildergeschichte baut, vergisst sie nicht so schnell – je verrückter, desto eher bleibt sie hängen. Stellen Sie sich zum Beispiel vor: Eine ZITRONE sitzt im HOMEOFFICE vor dem COMPUTER. Mittags kocht sie sich einen SALBEI-Tee und macht unter einem BAUM ihre PAUSE.
  2. Bündelung: Man kann versuchen, mehrere Dinge einer Kategorie zusammenzufassen, und so das Arbeitsgedächtnis zu entlassen. Entsprechend der sechs Begriffe oben könnte man sie beispielsweise in die Kategorien Job: HOMEOFFICE, COMPUTER, PAUSE und Natur ZITRONE, SALBEI, BAUM einteilen.
  3. Wiederholung: Vielleicht haben sie beim Lesen bis hierhin zwischendrin eine Pause gemacht, um noch einmal die sechs Begriffe zu rekapitulieren – das funktioniert! Anfangs steigt durch jede Wiederholung die Priorität im Gehirn. Entsprechend gilt: Was man wiederholt, kann man sich besser merken.
  4. Dinge auslagern: Die wohl wichtigste Hilfestellung gerade im Beruf. Belasten Sie Ihr Arbeitsgedächtnis nicht mit Unnötigem, schreiben Sie Dinge, die etwas Zeit haben, stattdessen lieber auf eine To-Do-Liste, einen Merkzettel oder in eine Datei im Computer. Sie werden sehen, Sie fühlen sich danach freier – und aufnahmefähiger für Neues.
Das Erstellen von gedanklichen Bildergeschichten kann dabei unterstützen, sich bestimmte Wörter besser zu merken. Was auch helfen kann: Begriffe in Kategorien zu bündeln oder sie oftmals zu wiederholen.

Besonders wirksames Gedächtnistraining: Life Kinetik

In den letzten Jahren hat sich ein Konzept besonders bewährt: Die Life Kinetik. Die zugrundeliegende Idee ist schnell erklärt: Man bewegt sich, während man versucht, sich etwas zu merken oder das Gehirn auf andere Art zu fordern. Tatsächlich ist die kognitive Performance besser, wenn sie mit Bewegung verbunden ist. Das lässt sich damit erklären, dass die unterschiedlichen Bewegungen in verschiedenen Regionen des Gehirns koordiniert werden. Auf diese Weise wird das Gehirn gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen angeregt – was unter anderem auf die Konzentrationsfähigkeit und auf das Gedächtnis stimulierend wirkt.

In der Praxis kann das etwa folgendermaßen aussehen: Man hat zwei kleine Bälle in der Hand, wirft sie etwa 30 Zentimeter nach oben, überkreuzt die Unterarme und fängt die Bälle mit überkreuzten Unterarmen wieder auf. Währenddessen lässt man sich Rechenaufgaben stellen. Klar, die meisten Menschen, die mit Life Kinetik beginnen, sind von solchen Kombinationsaufgaben und Koordinationsherausforderungen heillos überfordert, aber man lernt recht schnell, damit klarzukommen. Und das ist offenbar auch für das Gehirn ein Gewinn. So zeigen Studien, dass durch Life Kinetik – also die Kombination aus körperlich-koordinierend anspruchsvollen Herausforderungen und Denkaufgaben – die Gehirnplastizität verbessert wird, sprich die Fähigkeit des Gehirns, sich selbst zu regenerieren und erneut zu strukturieren.

Die Life Kinetik-Methode bewährt sich auch im Leistungssport

Selbst der Deutsche Fußballbund setzt diese Methode ein. Der ehemalige deutsche Fußballspieler und Trainer Jürgen Klopp erklärt auf der Website des DFB: „Life Kinetik ist eines der spannendsten Dinge, die ich während der letzten Jahre rund um meinen Job entdeckt habe. Die Spieler beschäftigen sich mit den aufeinander aufbauenden, aber ständig wechselnden Bewegungsvarianten. Und daraus resultiert die Möglichkeit, auf verschiedenste Dinge viel schneller, viel klarer, viel gezielter reagieren zu können.“ Dass man von dieser Fertigkeit auch im stressigen Joballtag profitieren kann, liegt auf der Hand.

Wie man als Unternehmen etwas tun kann für das Gedächtnis der Mitarbeiter:innen

Wie aber kann es Führungskräften gelingen, Gehirntraining auch im Unternehmen zu etablieren? Eine Möglichkeit besteht darin, externe Experten:innen einzuladen. So gibt es etwa Life Kinetik-Trainings, die innerhalb der Mittagspause oder am Nachmittag durchgeführt werden, in einzelnen Terminen oder innerhalb eines längeren Kurses. Gedächtnistraining ist allerdings kein Selbstläufer, es erfordert – auch im Rahmen etwa eines Kurses – auch eine gewisse Motivation und Disziplin. „Deshalb ist es wichtig, nicht nur einfach Angebote zu machen, sondern diese einzubetten“, sagt Professor Christian Stamov Roßnagel, Lernforscher an der Jacobs University Bremen.

Life Kinetik bezeichnet ein Gedächtnistraining, welches kognitive Aufgaben mit körperlichen Bewegungen verbindet. Auf diese Weise wird das Gedächtnis auf vielfache Weise angeregt und die Konzentration stimuliert. Bildquelle: istock/ Orla

Drei Faktoren steigern die Motivation für Life Kinetik im Unternehmen

Entscheidend sei es, den Mitarbeitenden drei Dinge mitzugeben. „Erstens sollte man erläutern, welchen Vorteil die Mitarbeitenden von den Gedächtnis-Übungen haben“, so Stamov Roßnagel. Bei dieser Gelegenheit könne man zum Beispiel betonen, dass ein gutes Gedächtnis nicht nur am Arbeitsplatz, sondern insgesamt im Leben sehr hilfreich ist und sogar der Gesundheit dient. „Zweitens sollte man sich und den Mitarbeitenden Ziele setzen, die es zu erreichen gilt. Überlegen Sie – eventuell mit externen Trainern und Psychologen –, inwieweit Sie das Gedächtnistraining womöglich evaluieren können. Denn nur wer ein Ziel hat, sucht sich einen Weg“, sagt Stamov Roßnagel. Drittens sei der Fokus wichtig: „Machen Sie Ihren Mitarbeitern klar, dass dem Gedächtnistraining ein gewisser Raum und eine gewisse Bedeutung eingeräumt wird. Erwähnen Sie das Angebot oft, lassen Sie teilnehmende Mitarbeiter den anderen vielleicht in Lunch Meetings davon erzählen“, so Roßnagel. Er hält es für eine gute Idee, die Mitarbeiter:innen zur Hälfte für das Gedächtnistraining freizustellen: Das Freistellen zeige, dass das Training dem Unternehmen wichtig ist. Wenn es nur zur Hälfte frei ist, verlangt es aber auch von den Mitarbeitenden Engagement. Auf diese Weise werde sichergestellt, dass vor allem diejenigen mitmachen, die auch wirkliche Motivation haben. Ein möglicher Vorteil daraus: Nicht selten ziehen die wirklich Motivierten durch ihre Begeisterung anfänglich zögerliche Kolleg:innen mit.

Standards bringen Entlastung

Was für den Einzelnen die To-Do-Liste ist, die man sorgfältig abhaken kann, das sind auf Unternehmensebene klar strukturierte und verlässliche Abläufe. Auch sie entlasten das Gedächtnis der Mitarbeitenden und geben Kapazitäten für die alltäglichen wichtigen Dinge frei. Dazu gehört zum Beispiel, dass man auf Kontinuität und festgelegte Standards setzt und beispielsweise an allen Standorten und für alle Mitarbeitenden die gleiche Software nutzt. Auch beim Beantragen von Urlaub oder beim Planen neuer Etats ist es für die Mitarbeitenden energiesparend, wenn es festgelegte Programme und Abläufe gilt.

Fazit

Erinnern Sie sich noch an die sechs Wörter, die in der Mitte dieses Artikels genannt wurden? Wenn Sie die Geschichten-Methode oder die Bündelung in die Kategorien Job und Natur genutzt haben, dürfte das leicht sein. Und vielleicht hat es auch ein wenig Freude gemacht, sich die Wörter auf einem dieser Wege zu merken. Dies ist etwas Wesentliches, was alle Mitarbeitenden und Interessierten wissen sollten: Gedächtnistraining ist nicht nur effektiv - es kann auch viel Spaß machen.


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Stand des Artikels: 18.03.2022
Die Autorin

Alina Nagel

MEDISinn-Redaktion
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