Gesundes Pausenmanagement: Das rät ein Experte
Das Wichtigste in Kürze
- Studien zeigen: Regelmäßige Pausen im Arbeitsalltag sind wichtig für die physische wie psychische Gesundheit.
- Dennoch lassen viele Arbeitnehmer:innen Pausen ausfallen – mit ernsthaften Folgen: Laut WHO und ILO können unzureichende Pausen die Todesfälle durch Herzkrankheiten und Schlaganfälle erhöhen.
- Arbeitspsychologe Dr. Oliver Weigelt gibt im Interview Tipps, worauf es bei einem gesunden Pausenmanagement ankommt.
- Unternehmen sollten eine gesunde Pausenkultur im Unternehmen etablieren: Führungskräften wird dabei eine Schlüsselrolle zuteil.
Kennen Sie das? Ein Meeting jagt das nächste, Deadlines über Deadlines und das E-Mail-Postfach quillt über. Für Pausen ist in so einem Arbeitsalltag oft kein Platz. Dabei wissen wir doch eigentlich alle: Regelmäßige Pausen sind wichtig für die Produktivität wie auch für die körperliche und mentale Gesundheit.
Dies belegen zahlreiche Studien zum Thema aus den vergangenen Jahren. Aufschlussreich ist zum Beispiel eine Metastudie des Psychologen Dr. Johannes Wendsche von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). In dieser wertete er mit seinem Team insgesamt 160 Studien aus den vergangenen 25 Jahren Pausenforschung aus. Das Ergebnis zeigt: Auszeiten haben ausschließlich positive Effekte. Sie steigern die Leistungsfähigkeit, fördern das seelische Wohlbefinden und reduzieren körperliche Beschwerden wie etwa Muskel-Skelett-Erkrankungen. Auch die Arbeitssicherheit wird durch regelmäßige Pausen erhöht, denn durch sie sinkt die Fehlerquote.
Obwohl es allgemein bekannt ist, dass Pausen sinnvoll sind, arbeitet mehr als jede(r) vierte Beschäftigte in Deutschland aktuell pausenlos durch, wie Umfragen zeigen. Hinzu kommt, dass die Menschen global betrachtet immer mehr arbeiten. Eine aktuelle Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zeigt, dass lange Arbeitszeiten die Todesfälle durch Herzkrankheiten und Schlaganfall erhöhen. Zwischen 2000 und 2016 stieg die Zahl der Todesfälle durch Herzkrankheiten aufgrund von Überstunden um 42 Prozent und durch Schlaganfälle um 19 Prozent. Lange Arbeitszeiten und unzureichende Pausen – eine ungesunde Entwicklung.
Experte Dr. Oliver Weigelt im Interview
Woran liegt es, dass Arbeitnehmer:innen Pausen zunehmend vernachlässigen? Wie sieht ein gesundes Pausenmanagement aus? Und: Wie können Unternehmen eine gesunde Pausenkultur etablieren und so die Gesundheit ihrer Mitarbeiter:innen nachhaltig fördern? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, haben wir uns mit Dr. Oliver Weigelt, Arbeits- und Organisationspsychologe an der Universität Leipzig unterhalten. Er ist auf den Bereich Arbeit und Gesundheit spezialisiert, insbesondere auf die Themen „Stress und Erholung“.
Herr Dr. Weigelt, meine Mittagspause sah heute so aus: Ich habe mir schnell was vom Bäcker nebenan geholt und dann am Schreibtisch gegessen. Was halten Sie von so einer Pausengestaltung?
Dr. Weigelt: Das ist eher ungünstig. Aber Sie sind da in guter Gesellschaft: Viele Menschen, die eine hohe Arbeitsbelastung haben, machen das ähnlich und lassen Pausen mehr oder weniger ausfallen. An ihrem Beispiel lässt sich ganz gut erklären, was eine gute Pause ausmacht und was nicht. Eine gute Pause sollte einen Kontrast zu der Arbeitstätigkeit schaffen. Heißt: Wenn man viel sitzt, liest oder schreibt, sollte man in der Pause was anderes machen – zum Beispiel in einen Park gehen oder in einem dafür vorgesehenen Raum meditieren.
Warum werden Pausen zunehmend vernachlässigt – was ist Ihre Erklärung dafür?
Die Wurzel des Problems liegt in der Verdichtung der Arbeit. Wir intensivieren die Prozesse an vielen Stellen und arbeiten sehr flexibel und eigenverantwortlich – insbesondere im Bereich der Wissensarbeit. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass viele Arbeitnehmer:innen die Pausen ausfallen lassen, um die Arbeit in der vorgegebenen Zeit verrichten zu können. Denn wenn man Verpflichtungen hat – etwa, sein Kind von der Kita abholen muss –, kann man nicht einfach eine Stunde länger arbeiten. Pausenzeiten hingegen lassen mehr Spielraum, man kann sie ohne weiteres verkürzen oder ganz ausfallen lassen.
Wie viele Pausen sind während eines Arbeitstages sinnvoll und wie lange sollten diese dauern?
Die Empfehlung lautet, dass man lieber mehrere kurze Pausen als eine große Pause machen sollte. Neben der längeren Mittagspause sind auch Minipausen, die fünf oder zehn Minuten dauern, oder Mikropausen von wenigen Sekunden, in denen man einfach mal aus dem Fenster schaut, ratsam. Weil die meisten Menschen in der ersten Tageshälfte etwas fitter sind, kann es sinnvoll sein, die Mittagspause ein wenig nach hinten zu verlegen.
Was macht eine wirklich erholsame Pause aus?
Bei dieser Frage ist noch einmal wichtig, sich klarzumachen, warum wir überhaupt Pausen benötigen: Über den Tag hinweg laufen wir Gefahr, zu ermüden – das passiert ohnehin durch biologische Prozesse und kann durch intensive Arbeit beschleunigt werden. Mit Pausen können wir dieser Tendenz ein Stück weit entgegenwirken. Und deswegen ist die Empfehlung, dass man möglichst einen Kontrast schafft und etwas ganz anderes in der Pause macht. Wenn ich zwei Stunden am Bildschirm gelesen habe, die Augen mal wieder in die Ferne schweifen lassen.
Wie die ideale Pause aussieht, lässt sich nicht pauschal sagen – das ist sehr individuell und hängt von den Bedürfnissen ab, z. B. dem Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit. Wenn ich den ganzen Vormittag allein gearbeitet habe, dann ist es vielleicht eine gute Idee, sich mit anderen Leuten zu treffen und sich auszutauschen. Oder eben umgekehrt: Wenn man in einem lärmigen Großraumbüro arbeitet, beseht eine erholsame Pause eher darin, einen Ort aufzusuchen, wo man sich zurückziehen und das machen kann, was einem Spaß macht.
Inwiefern steigern Pausen auch die Produktivität. Was sagt hier die Forschungslage?
Ob Pausen die Produktivität steigern, lässt sich so genau nicht sagen. Es gibt aber Studien, die zeigen, dass man die gleiche Produktivität erreicht, wenn man Pausen macht, obwohl man letztendlich weniger arbeitet. Eine Pause kann dafür sorgen, dass man ein Problem schneller löst, anstatt ewig an einem bestimmten Thema herumzukauen.
Es gibt auch Hinweise darauf, dass Pausen helfen können, Abstand zu gewinnen und eine kreative oder gute passende Lösung zu finden. Und auch im Hinblick auf die Arbeitssicherheit ist die Bedeutung von Pausen nicht zu unterschätzen. Gerade in der Medizin oder auch im Verkehr – bei Fluglosten etwa – kann jeder kleine Fehler fatale Folgen haben. In diesen Branchen sind Pausen besonders wichtig, denn davon profitiert die Qualität der Arbeit.
Sie haben es eben angesprochen – die Arbeitssicherheit spielt beim Thema „Pausen“ eine wichtige Rolle. Können Sie darauf noch mal eingehen?
Übermüdung ist einfach ein Zustand, der Fehler wahrscheinlicher macht. Es gibt zum Beispiel Studien, die zeigen, dass montags häufiger Fehldiagnosen gestellt werden und Unfälle passieren, weil die Menschen nach dem Wochenende nicht richtig ausgeschlafen sind. Das belegt, dass Erholungspausen mehr als Kosmetik oder Wellness sind. Sie sorgen dafür, dass wir weniger Fehler machen und effizienter arbeiten.
„Gesetzliche Pausenregelung in Deutschland“: Regelungen zur Arbeitszeit und Arbeitspausen finden sich im Arbeitszeitgesetz – kurz ArbZG. Darin ist festgehalten:
- Ab sechs Stunden Arbeitszeit müssen Beschäftigte 30 Minuten Auszeit nehmen.
- Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden beträgt die vorgeschriebene Pausenzeit 45 Minuten.
- Eine Ruhepause muss dabei nicht am Stück erfolgen, erlaubt ist eine Aufteilung in Blöcke von jeweils 15 oder mehr Minuten.
- Beträgt die Unterbrechung weniger als 15 Minuten, zählt diese Arbeitsunterbrechung zur Arbeitszeit.
Brauchen wir in Deutschland eine andere „Pausenkultur“, in der z. B. auch ein Powernapping akzeptiert wird?
Ja, ich glaube, dass vor allem die Organisationskultur eine große Rolle spielt. Ein Beispiel: Es gibt Unternehmen, in denen man gefragt wird, ob man einen halben Urlaubstag nimmt, wenn man um 17 Uhr nach Hause geht. Hier ist es natürlich schwierig, eine gesunde Pausenkultur zu etablieren.
Wichtig ist es, dass ein Unternehmen bei dem Thema insgesamt eine klare und konsistente Sprache spricht: Wenn zum Beispiel Gesundheitskurse oder Sport in der Mittagspause angeboten werden, ist das prinzipiell sehr begrüßenswert. Diese Angebote nützen aber wenig, wenn mir meine Chefin Druck macht und kommuniziert, dass sie eigentlich überhaupt nichts davon hält. Die Pausenkultur transportiert auch Werte, sie muss ein fester Bestandteil der Firmenphilosophie werden.
Was können insbesondere Vorgesetzte tun, um ein gesundes Pausenmanagement ihrer Beschäftigten zu fördern?
Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion. Eine Führungskraft, die nichts für ihre Selbstfürsorge tut und ganz offensichtlich Raubbau an ihrem Körper betreibt, ist daher kein gutes Vorbild für die Angestellten. Dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass Mitarbeiter:innen dieses Muster nachahmen.
Ansonsten ist – wie schon erwähnt – eine gelebte Pausenkultur im Unternehmen das Entscheidende. Die Botschaft muss lauten: Pausen sind wichtig, weil sie dafür sorgen, dass wir langfristig gesund und leistungsfähig bleiben und dazu führen, dass wir letztendlich effizienter zum Ziel kommen.
Was kann darüber hinaus jeder Beschäftigte selbst tun, um sich ein gesundes Pausenmanagement anzueignen?
Die beste Strategie ist es, Pausen aktiv zu planen – zum Beispiel, wenn man einen Tagesplan erstellt. Gerade im Homeoffice ist es empfehlenswert, sich die Pausen bewusst vorzunehmen, etwa, indem man einen Blocker in den Kalender einstellt. Hilfreich können auch Apps oder andere digitale Tools sein, die einen daran erinnern, dass man eine Pause einlegen sollte. Es gibt zum Beispiel auch Apps, die einem sagen, dass man sich mal wieder bewegen sollte – dies kann man als Signal nutzen, um die Arbeit kurz zu unterbrechen.
An guten Vorsätzen mangelt es bei den meisten Arbeitnehmern nicht, das Problem ist eher die Umsetzung. Hier kann man sich Selbstmanagement-Methoden und moderne Technik ein Stück weit zunutze machen, damit man die Pausen nicht vergisst. Grundsätzlich hilft es auch, mithilfe von Listen, seine Aufgaben zu strukturieren und sich nicht zu viel vorzunehmen.
Herr Dr. Weigelt, vielen Dank für das Gespräch.
Fazit
Pausen sind im Arbeitsalltag unverzichtbar: Sie wirken sich positiv auf die mentale und körperliche Gesundheit aus, steigern die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten und sorgen für mehr Arbeitssicherheit. Arbeitnehmer:innen sollten, so ein wichtiger Tipp von Experte Dr. Oliver Weigelt, Pausen am besten zu Arbeitsbeginn aktiv in ihren Tag einplanen. Digitale Tools können dabei helfen, eine feste Pausenroutine zu entwickeln.
Wie die perfekte Pause aussieht, hängt von den jeweiligen Bedürfnissen der Person ab – während manch eine(r) den Spaziergang im Park bevorzugt, schätzen andere den Plausch mit den Arbeitskolleg:innen in der Mittagspause. Aus Expertensicht erscheint es ratsam, in der Pause einen Gegenpol zur Arbeitstätigkeit zu schaffen – also zum Beispiel, sich zu bewegen, wenn man den ganzen Tag am Schreibtisch verbringt. Arbeitgeber können ihre Mitarbeiter:innen dabei unterstützen, Pausen sinnvoll in den Arbeitsalltag einzubauen. Neben der Schaffung einer akzeptierten Pausenkultur im Unternehmen, zu der zum Beispiel auch Bewegungsangebote während der Arbeitszeit gehören, sind insbesondere Führungskräfte gefragt: Sie sollten mit gutem Beispiel vorangehen und Pausenzeiten nicht nur selbst einhalten, sondern auch in ihrem Team gezielt fördern.