Sport gegen Depression und Rückenschmerzen? Wie Bewegung helfen kann

Bewegung jeglicher Art wird zur Prävention vielerlei Erkrankungen empfohlen, da sie eine Art „körpereigene Apotheke“ aktiviert. So kann Laufen unter anderem sogar antidepressiv wirken. Allgemein zeigt sich heutzutage, dass viele Patient:innen deutlich weniger Medikamente zu sich nehmen müssen, wenn sie sich regelmäßig bewegen. Über diese und die vielen weiteren Vorteile der körperlichen Bewegung – für jedes Leistungs- und Motivationsniveau.

Das Wichtigste in Kürze

  • Bewegung aktiviert eine Art „körpereigene Apotheke“.
  • Sport kann bei vielen körperlichen und auch psychischen Erkrankungen so gut wie Medizin wirken.
  • Regelmäßige körperliche Aktivität reduziert präventiv das Risiko von Depressionen und Angstzuständen.
  • Bewegung kann darüber hinaus auch therapeutisch zur Verbesserung der psychischen und körperlichen Gesundheit eingesetzt werden.
  • Eine Studie zeigt, dass regelmäßige Bewegung bei psychischen Problemen wie Depressionen merklich das Wohlbefinden erhöht.
Mann kommt glücklich vom Laufen am Abend zurück
Regelmäßige körperliche Betätigung hat eine Vielzahl von Vorteilen für die Gesundheit - und kann auch glücklicher machen! Bildquelle: iStock/ DaniloAndjus

Wachen Sie auch manchmal müde oder mit Schmerzen auf? Und antworten Sie dann auch gerne mit „heute nicht“, wenn Freund:innen am selben Tag fragen, ob Sie mit zum Sport kommen möchten? Das kennen wir wohl alle. Doch: Die Wirkung von Sport lässt sich (leider) nicht ignorieren. Gute Gründe für Bewegung gibt es also viele! Man muss nur die Art von Bewegung finden, die auch zu einem selbst passt und Spaß macht. Und natürlich: die den eigenen körperlichen und mentalen Bedürfnissen gerecht wird.

So wirkt sich Bewegung auf unsere Gesundheit aus

Bewegungstherapie ist heutzutage bei vielen Belastungen und Erkrankungen fester Bestandteil der Behandlung. Mit Bewegung lassen sich geschwächte Muskeln aktivieren und steife Gelenke mobilisieren, sie fördert die Durchblutung und trainiert das Herz-Kreislauf-System. Auch bei anderen, teils schwerwiegenden Krankheiten, werden mit Sport bereits therapeutische Erfolge erzielt. So hilft Sport beispielsweise, die Nebenwirkungen einer Krebstherapie messbar zu reduzieren und die Leistungsfähigkeit der Patient:innen zu erhöhen. Diabetes-Typ-2-Patient:innen können dadurch die Insulindosis deutlich minimieren.
Und Bewegung wirkt zudem bereits nachweislich präventiv: Denn der Körper schüttet beim Sport spezielle Hormone aus, die das Immunsystem stärken und die Infektabwehr verbessern. Bewegung aktiviert also eine Art „körpereigene Apotheke“ und wirkt so bei diversen körperlichen Erkrankungen und Beschwerden sehr gut als Therapie-Begleitung.

Ähnliche Effekte findet man auch bei psychischen Erkrankungen. „Der langsame Dauerlauf wirkt nicht nur bei Bewegungsmangelkrankheiten, sondern auch bei einigen psychischen Störungen“, bekräftigt Diana Stöckel, Psychotherapeutin und ausgebildete Lauftherapeutin. Langsamer Dauerlauf, damit ist aerobes Training, sprich Ausdauertraining, mit niedrigen Trainingsbelastungen gemeint, das sich als besonders wirksam bewiesen hat.

Sport zur Prävention von Krankheiten

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt: Alle gesunden Erwachsenen sollten pro Woche 2,5 Stunden moderate Aktivität, oder 1,25 Stunden pro Woche intensive Aktivität ausüben, oder aber eine äquivalente Kombination aus beidem. Die Vorteile regelmäßiger Bewegung sind dabei vielfältig und alles andere als unerheblich für unsere Gesundheit: Sie vermindert das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes, Krebserkrankungen, Osteoporose, Übergewicht, Stress und mehr. Übrigens wird der regelmäßigen Bewegung auch ein lebenserhaltender Effekt nachgesagt; bereits 15 Minuten täglich sollen demnach das Sterberisiko um 14% senken.

Auch muskelstärkende Aktivitäten wie Krafttraining bringen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge einen ähnlichen Nutzen. Die Teilnahme an muskelkräftigenden Aktivitäten über 60 bis 150 Minuten pro Woche, ist demnach ebenfalls mit einem verringerten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, Krebssterblichkeit sowie der Gesamtmortalität verbunden. Vorzugsweise erfolgt der Kraftsport zusätzlich zu den empfohlenen Ausdauer-Aktivitäten.

Körperliche Bewegung bedeutet nicht ausschließlich Sport – auch Alltagstätigkeiten, zum Beispiel im Haushalt, zählen dazu. Informationsquelle: Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege.

Ist Bewegung so wirksam wie Medikamente bei Depressionen?

Auch in der Behandlung von psychischen Erkrankungen wie etwa Depressionen oder Angststörungen setzen Expert:innen heute zahlreiche bewegungsorientierte Therapieformen ein, wie zum Beispiel Joggen: Die Multimodale Lauftherapie (MML) ist eine Körper- und Bewegungstherapie, die bei bestimmten psychosozialen Störungen oder Krankheiten angewendet werden kann. Sie basiert auf einem ausdauerbezogenen Konzept, in dem Laufen über eine festgelegte Zeit und Intensität erfolgt. Die Psychologische Psychotherapeutin Diana Stöckel bietet Laufen als Therapie seit mehr als zehn Jahren in ihrer Praxis an und hat damit positive Erfahrungen gemacht. „Laufen verbessert das Wohlbefinden: Einerseits durch die Ablenkung und durch das Gefühl, selbst etwas ändern zu können. Außerdem gibt es zunehmend Hinweise auf eine Stoffwechselbeeinflussung mit antidepressivem Effekt“, sagt sie.

Regelmäßige körperliche Aktivität kann einerseits präventiv das Risiko von Depressionen und Angstzuständen reduzieren, aber auch therapeutisch als Mittel zur Verbesserung der psychischen Gesundheit eingesetzt werden. Entsprechend ist es mittlerweile in die S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen” aufgenommen worden. Leitlinien geben den gegenwärtigen Erkenntnisstand der Wissenschaft wieder und dienen Ärzt:innen zur angemessenen Versorgung bei dem jeweiligen Gesundheitsproblem. Diese Leitlinie empfiehlt ganz konkret körperliches Training für depressive Patient:innen: „In der Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen, insbesondere bei Menschen mit depressiven Störungen, findet vor allem das Ausdauertraining Anwendung. Ihm wird – stärker als anderen sporttherapeutischen Verfahren – das Potenzial zugesprochen, über physiologische Wirkmechanismen die Abmilderung psychopathologischer Symptome zu erreichen.“ Oder einfach gesagt: Sport bewirkt über körperliche Prozesse eine Linderung der Krankheitssymptome.*

*Patient:innen, die akute psychische Belastung erfahren, sollten zusätzlich Fachexpert:innen aufsuchen, da bislang nicht belegt ist, dass Bewegung die Therapie zu 100% ersetzen kann.


+++Welche Bewegung hilft bei welchen Beschwerden?+++

  • Bluthochdruck: Regelmäßige sportliche Aktivität kann den Blutdruck senken – und zwar vergleichbar mit einem einzelnen Medikament. Auch ausgedehnte Spaziergänge können einen Effekt erzielen.
  • Rückenschmerzen: Sitzen ist der Rückenfeind Nummer 1, deswegen ist grundsätzlich jede Bewegung als positiv für die Prävention von Rückenproblemen anzusehen. Wer schon mit Rückenschmerzen kämpft, für den oder die empfehlen sich schonende Sportarten wie Nordic Walking oder Rückenschwimmen.
  • Typ-2-Diabetes: Längerfristig verbessert sich bei regelmäßiger Aktivität die Insulinempfindlichkeit. Empfohlen werden Laufen, Nordic-Walking, Wandern, Schwimmen, Tanzen oder Radfahren.
  • Übergewicht: Wichtig ist, insgesamt den Stoffwechsel in Schwung zu bringen und so mehr Kalorien zu verbrauchen. Gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen und Radfahren sind zu bevorzugen.
  • Venenschwäche: Wassergymnastik, Aqua-Jogging, Wandern, leichtes Joggen, Inline-Skating, Tanzen, Aerobic: Die Bewegungen bei diesen Sportarten aktivieren die Muskelpumpe in den Beinen und verbessern den Blutfluss zurück zum Herzen, was auch das Risiko für Thrombosen verringert.
  • Arterienverkalkung: Ausdauersport beugt Arterienverkalkung vor, beziehungsweise mindert das Fortschreiten, vor allem, weil es auf die Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht einwirkt.
  • Osteoporose: Knochenaufbau wird durch Bewegungen gefördert, bei denen Knochen wiederholt mit dem eigenen Körpergewicht belastet werden, also etwa Treppensteigen, Joggen oder Bergwandern.
  • Krebserkrankungen: Sport verringert die Mortalität bei Krebs und senkt die Rückfallraten – vermutlich über Einflüsse auf das Immunsystem. Gut erforscht ist dies für Brust-, Darm- und Prostatakrebs, auch für Leukämie- und andere Krebspatient:innen wurden positive Effekte gezeigt. Besonders vorteilhaft ist ein kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining.
  • Depression & Angststörungen: Vor allem Laufen hat sich etabliert, grundsätzlich eignet sich aber jede Form von Bewegung wie Walking, Joggen, Radfahren, Schwimmen oder Wandern.

Zitat: Diana Stöckel, Psychologische Psychotherapeutin & Lauftherapeutin.

Diana Stöckel hat es in ihrer Praxis so organisiert, dass sie die Patient:innen gruppenweise zuordnet, je nach Trainingsstand. „Die Gruppen treffen sich dann zweimal die Woche mit einem festen Laufplan, der langsam aufgebaut wird, sodass die Patient:innen innerhalb von acht Wochen circa eine halbe Stunde am Stück laufen können.“ Nicht für jede:n Patient:in sei das geeignet, merkt sie an. „Und auch nicht jede:r kann sich dafür begeistern, aber umso faszinierender ist es, wenn es eben doch klappt. Die Selbstwirksamkeit ist immens“, erzählt Stöckel, „die Patient:innen sind stolz auf sich, ihr Selbstwert wird gestärkt und sie gewinnen wieder Vertrauen in ihren Körper. Obwohl wir gar nicht über die Krankheit reden, ist der Effekt enorm.“

Neuer Forschungsschwerpunkt: Myokine

Aber wie kann das sein? Biologisch betrachtet erhöht Sport die Konzentrationen von Dopamin, Serotonin und Noradrenalin im Blut, verbessert so über die Aktivierung unseres Belohnungssystems die Stimmung und vermindert Stressgefühle und -symptome. Antidepressiva wirken ähnlich: Die in der Therapie häufig verwendeten Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) sorgen für eine Erhöhung des verfügbaren Serotonins im Gehirn. Eine Studie zeigt bereits eindrucksvoll, dass 30 Minuten Joggen pro Woche wohl ähnlich effektiv wirken können, wie ein Antidepressivum.

Und auch weitere biochemische Prozesse im Körper sorgen dafür, dass Sport so effektiv bei Krankheiten hilft: Stichwort Myokine. Das sind Botenstoffe, die der Körper vermehrt bei intensiver Muskelbeanspruchung ausschüttet. Sie stoppen beispielsweise Entzündungen und regulieren die Immunabwehr. 2007 „entdeckt“, werden immer mehr Details erforscht, wie Muskelarbeit konkret den Fett- und Zuckerstoffwechsel beeinflusst. Aktivierte Muskeln wirken demnach wie ein Medizinschrank im Körper. Über die Myokine kommuniziert der Muskel mit dem Rest des Körpers – mit dem Gehirn, dem Magen-Darm-Trakt und der Leber.

Fazit

Sport als Medizin der Zukunft? Möglich! Bewegung wirkt bei manchen Beschwerden bereits ähnlich wie Medizin – sie reduziert nachweislich bestimmte körperliche und auch psychische Beschwerden, wirkt präventiv und verringert das Mortalitätsrisiko. Bewegung als Therapie ist ein spannendes Thema, das in der medizinischen und sportwissenschaftlichen Gemeinschaft immer mehr Aufmerksamkeit erhält. Mittlerweile ist es auch wissenschaftlich bewiesen, welch gute Erfolge Bewegung nicht nur in der Prävention von Krankheiten erzielt, sondern auch in der Therapie-Begleitung und Therapie.

Schon heute weiß man, dass körperliche Aktivität beispielsweise bei Diabetes helfen kann, den Bedarf an Medikamenten zu verringern. Ähnliches wurde für Depressions-Patient:innen festgestellt. Und auch wenn die Bedeutung von regelmäßiger Bewegung für eine gesunde Lebensweise allgemein anerkannt ist, sollte sie in der Prävention und Therapie von Krankheiten bestimmt noch stärker betont werden – auch in Unternehmen. Schützen Sie Ihre Mitarbeiter:innen also mit vielfältigen Bewegungsangeboten, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen.


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Stand des Artikels: 05.05.2023
Die Autorin

Alina Nagel

MEDISinn-Redaktion
Die Autorin

Yvonne Müller

MEDISinn-Redaktion

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