Raumgestaltung im Büro: Machen Sie es sich gemütlich – und gesund!
Das Wichtigste in Kürze
- Wie Untersuchungen zeigen, hat die Arbeitsplatzumgebung einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden.
- Das Konzept der „Healing Architecture“ liefert hier spannende Ansätze für eine gesunde Raumgestaltung.
- Die Architektin Christine Nickl-Weller, Expertin für Healing Architecture, erklärt dass sich Elemente des Konzepts, wie die Beleuchtung oder Rückzugsorte, auch auf Büros übertragen lassen.
- Praxistipps, wie man eine ruhige Arbeitsplatzumgebung, eine ausreichende Beleuchtung oder ein gesundes Raumklima schafft, helfen Unternehmen bei der Umsetzung.
Frieren im Büro? Nicht nur draußen wird es langsam richtig kalt, auch in den Büros hierzulande ist es diesen Winter längst nicht mehr so kuschelig wie noch in den vergangenen Jahren. Um Energie zu sparen, hat die Bundesregierung eine sogenannte Energieeinsparverordnung erlassen, die bis zum 28. Februar 2023 gilt. Auf diese Weise soll Deutschland bis März ein Fünftel an Gas einsparen – verglichen mit dem Durchschnittsverbrauch der vergangenen fünf Jahre. Eine Maßnahme lautet: Arbeitsräume in öffentlichen Gebäuden dürfen nur noch bis höchstens 19 Grad geheizt werden – viele private Firmen ziehen auf freiwilliger Basis nach und orientieren sich daran.
Die Vorgaben der aktuell geltenden Energiesparverordnung:
Die Bundesregierung hat Ende August 2022 eine Verordnung für kurzfristig wirksame Energiesparmaßnahmen verabschiedet, die vom 1. September 2022 bis 28. Februar 2023 gültig ist. Diese soll in der aktuellen Heizsaison zur Verringerung des Energiebedarfs beitragen. Sie legt unter anderem fest, dass Büroflächen weniger geheizt werden sollen (19 Grad an Arbeitsstätten in öffentlichen Nichtwohngebäuden) und Gebäude, Denkmäler und Werbeflächen zu bestimmen Zeiten nicht mehr beleuchtet werden sollen. Darüber hinaus gilt seit dem 1. Oktober für einen Zeitraum von zwei Jahren eine zweite Verordnung für mittelfristig wirksame Energiesparmaßnahmen. Sie sieht unter anderem die Pflicht zur Heizungsprüfung und -optimierung in öffentlichen, privaten und Firmengebäuden vor. Ausführliche Informationen zu beiden Verordnungen finden Sie hier.
Doch sind 19 Grad Raumtemperatur noch gesund? Nicht für alle Arbeitnehmer:innen, mahnt zum Beispiel der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte. Dies gelte insbesondere für „Tätigkeiten, bei denen die Beschäftigten nicht zwischendurch aufstehen und sich bewegen können oder bei denen es auf Feinmotorik ankomme.“ Darüber hinaus gibt es noch weiteres zu beachten hinsichtlich einer gesunden Raumgestaltung. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Faktoren und zeigen, worauf insbesondere Unternehmen bei diesem Thema achten sollten.
„Erfolgsfaktor Raum“: So wichtig ist die Arbeitsplatzumgebung
Lange Zeit sollten Büros vor allem zweckmäßig sein. Auf die Raumgestaltung wurde wenig Wert gelegt. Doch diese Zeiten sind vorbei. Studien, wie die des Fraunhofer IAO mit dem Titel „Raumpsychologie für eine neue Arbeitswelt“, zeigen, dass die physische Umgebung die individuelle Konzentrationsfähigkeit und kreative Prozesse unterstützt und auch der Erholung nach stressigen Phasen dient. Ein lebendiges und gesundes Arbeitsumfeld ist inzwischen zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor für Unternehmen geworden, wenn sie Talente oder Fachkräfte von sich überzeugen wollen. Verstärkt wird diese Entwicklung durch die Tatsache, dass viele Beschäftigte nach der Corona-Pandemie und dem liebgewonnenen Arbeiten im Homeoffice nur noch schwer von einer Rückkehr ins Büro zu überzeugen sind. Mit attraktiven Büroräumen, die ein gesundes und effizientes Arbeiten versprechen, lässt sich daher auch in puncto Employer Branding punkten.
Was beeinflusst das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen?
Interessante Ansätze hierzu bietet das Konzept der „Healing Architecture“. Sie beschäftigt sich mit folgenden Fragen: Wie kann Architektur zur Heilung und Genesung (im medizinischen Sinne) beitragen? Und welchen Einfluss hat die gebaute und unbebaute Umgebung darauf, dass der Mensch auch gesund bleibt? Das Konzept, als dessen Wegbereiter der texanische Architekturprofessor Roger Ulrich gilt, befasst sich ursprünglich mit der Gestaltung von Räumlichkeiten für Krankenhäuser und andere Gesundheitsbauten und deren Wirkung auf die Bewältigung von Krankheiten. Ulrich zeigte 1984 in einer Studie, dass Patient:innen, die nach einer Operation aus ihren Zimmern in einen Park mit Bäumen blickten, früher entlassen werden konnten und weniger Schmerzmittel brauchten, als Patient:innen, die auf eine Betonmauer starrten. Dem Konzept der Healing Architecture zufolge spielen bei der Raumgestaltung folgende Elemente eine Rolle:
Betrachtet man die einzelnen Faktoren, wie die Beleuchtung, die Akustik oder die Raumluftqualität, ist es naheliegend, das Konzept der Healing Architecture auch auf Büroräume zu übertragen. Wir haben uns dazu mit Christine Nickl-Weller unterhalten. Die Architektin gilt in Deutschland als ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet. Neben ihrer Tätigkeit im Architekturbüro Nickl & Partner in München leitete sie an der TU Berlin bereits seit mehreren Jahren den Lehrstuhl für „Entwerfen von Krankenhäusern und Bauten des Gesundheitswesens“. Sie gibt zu bedenken, dass im Krankenhausbau eine gesunde Raumgestaltung von Büros lange Zeit kein Thema war. „Erst seitdem das Wohlbefinden des Personals den gleichen Stellwert genießt wie das der Patienten, hat man angefangen, Krankenhäuser als Lebenswelten zu betrachten und beispielsweise mehr Tageslicht zu integrieren und Rückzugsorte zu schaffen“, so Nickl-Weller.
Die erfahrene Architektin sieht für die Übertragbarkeit des Konzepts auf die normale Arbeitswelt durchaus Potential: „Es kommt darauf an, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer ganzheitlich in ihrer körperlichen, mentalen und sozialen Gesundheit zu betrachten. Sofern die grundlegenden physischen Konditionen wie Temperatur, Belichtung, Belüftung, ergonomisches Mobiliar etc. sichergestellt sind, muss auch den mentalen und sozialen Bedürfnissen Rechnung getragen werden.“ Für uns hat Christine Nickl-Weller zusammengefasst, worauf Unternehmen bei der Gestaltung von Büroräumen achten sollten.
Was Healing Architecture für die Gestaltung von Büroräumen bedeutet – Tipps von Christine Nickl-Weller:
- Es sollte eine Auswahl vielfältiger Raumsituationen angeboten werden, die verschiedene Arbeitsmöglichkeiten zulassen – von zurückgezogen/konzentriert, bis offen/Austausch fördernd.
- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten sich auch mit ihrem Arbeitsplatz identifizieren können. Gerade wenn mobil gearbeitet wird, es also keinen „eigenen“ Schreibtisch mehr gibt, sollte es die Möglichkeit geben, sich einen Teil seiner Umgebung durch eigenes Zutun gestalten zu können.
- Auch dem Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle sollte entsprochen werden. Wer fühlt sich schon wohl an seinem Arbeitsplatz, wenn er sich ständig exponiert fühlt? Kontrolle über die eigene Situation hat man dagegen, wenn man einen Raum überblicken kann, ohne dabei von allen anderen gesehen zu werden, zum Beispiel durch hohe Rückenlehnen oder Arbeitskojen.
- Das eigenständige Eingreifen in die räumliche Umgebung, etwa durch individuelle Möglichkeiten zum Lüften oder Belichten, ist ein wichtiger Faktor, wenn es um die Ausübung von Kontrolle geht.
- Aus unserer Arbeit an Krankenhäusern wissen wir zudem, dass sich die Möglichkeit, sich in einen arbeitsplatznahen begrünten Außenraum zu begeben, positiv auf das Personal auswirkt.
Wie Unternehmen für eine gesunde Raumgestaltung sorgen können – fünf Praxistipps:
Das Konzept der Healing Architecture enthält somit interessante Ansätze, die in verschiedensten Branchen Anwendung finden können. Was können Unternehmen nun konkret tun, um Büros so zu gestalten, dass sich ihre Mitarbeitenden wohl fühlen und gesund und leistungsfähig bleiben? Wir haben fünf Tipps für Sie zusammengefasst:
- Eine ruhige Arbeitsumgebung schaffen:
Mobile oder feste Trennwände sorgen dafür, dass es im Büroraum nicht zu unruhig wird. Akustische Störfaktoren können sehr belastend sein, daher sind schallabsorbierende Abtrennungen ebenso wichtig, wie ein Boden mit Trittschalldämmung.
Für längere Telefonate oder Besprechungen sollten den Beschäftigten separate Räume zur Verfügung stehen. Hierhin können sich auch die Kolleg:innen zurückziehen, die gerade ungestört arbeiten möchten. Wichtig ist, dass sich diese Räume leicht buchen lassen und die Belegung für alle Mitarbeiter:innen einsehbar ist.
Kein Muss, aber ein zusätzliches Plus sind gemütlich eingerichtete Ruheräume, in denen sich die Mittagspause verbringen lässt, oder vielleicht auch mal ein kurzer Powernap stattfinden kann. - Auf ausreichende Lichtverhältnisse achten:
Eine gute Beleuchtung am Arbeitsplatz und ausreichend Tageslicht sind wichtige Voraussetzungen, um gesund im Büro zu arbeiten. Die DGUV empfiehlt eine Lichtstärke für Büro- und Bildschirmtätige von mindestens 500 Lux. Bei zu dunklen Lichtverhältnissen ermüden die Augen schnell, und die Konzentration lässt nach – mit der Folge, dass die Arbeitsqualität über kurz oder lang sinkt. Digitaler Sehstress ist im Übrigen nicht zu unterschätzen: Langfristig können dadurch zum Beispiel chronische Rückenschmerzen entstehen, denn durch die enge Verbindung mit der Muskulatur des oberen Rückens kann es durch Überanstrengung der Augen zu Verhärtungen in Schultern, Nacken und Rücken kommen.
Um die natürlichen Lichtverhältnisse optimal zu nutzen, sollten Sie Ihren Monitor möglichst im rechten Winkel zum Fenster platzieren. Dann freuen sich auch Ihre Augen! - Temperatur und Raumluftqualität beachten:
Zu warm, zu kalt – das Temperaturempfinden Ihrer Mitarbeiter:innen ist sehr individuell. Dennoch gibt es Richtlinien für Bürogebäude, die eingehalten werden müssen. Die Arbeitsstättenrichtlinie ASR A3.5 enthält hier klare Vorgaben: In der Regel müssen in den Arbeitsräumen, in denen körperlich leicht und im Sitzen gearbeitet wird, mindestens 20 Grad gewährleistet sein. 20-22 Grad ist für normale Bürojobs der Bereich, in dem sich die meisten Beschäftigten wohl fühlen. Die eingangs erwähnte Energiesparverordnung sieht für Büros in öffentlichen Gebäuden nunmehr 19 Grad vor. Ein Wert, der laut Experten wie Heinz-Jörn Moriske vom Bundesumweltamt, gerade noch vertretbar ist. Bei Temperaturen unter 19 Grad hingegen erhöhe sich aber bereits die Gefahr für Infekte wie Erkältungen. Ansonsten noch wichtig: Zugluft sollte vermieden werden, regelmäßiges Lüften und eine Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 60 Prozent eingehalten werden. Mit einem sogenannten Hygrometer lässt sich die Luftfeuchtigkeit im Büro ablesen, senken kann man die Luftfeuchtigkeit vor allem durch regelmäßiges Stoßlüften.
- Pflanzen wirken sich positiv auf die Psyche aus:
Für eine gute Raumluftqualität sorgen vor allem auch Büropflanzen. Sie können die Luftfeuchtigkeit um bis zu fünf Prozent erhöhen. Aber Pflanzen haben noch weitere positive Effekte – sie schaffen eine wohnliche Atmosphäre, steigern das Wohlbefinden und haben eine beruhigende Wirkung. Der gesundheitsfördernde Effekt von Pflanzen ist wissenschaftlich erwiesen – wie im Fachmagazin „Psychologie Heute“ dargelegt wird, konnten Teams von Forscher:innen in Studien vier konkrete Effekte ausmachen. Demnach lindern Zimmerpflanzen Stress, senken den Blutdruck, halten uns wach und haben therapeutisches Potenzial, etwa bei Verhaltensstörungen wie ADHS. Kurzum: Sie tun uns gut.
Als gesundheitsfördernde und pflegeleichte Büropflanzen gelten zum Beispiel die Birkenfeige, Grünlilie und der Elefantenfuß. - Ergonomie am Arbeitsplatz fördern dank richtiger Möbel: Eine gesunde Raumgestaltung betrifft nicht zuletzt natürlich auch die Arbeitsmöbel. Hier kommt es in erster Linie auf ergonomische Gesichtspunkte an. Ein ausreichend großer und höhenverstellbarer Schreibtisch, sowie ein verstellbarer Stuhl, senken das Risiko für körperliche Beschwerden wie Rückenschmerzen. Auch ergonomische Bildschirme, Tastaturen und Computermäuse unterstützen eine gesunde Körperhaltung. Seminare, Kurse oder Workshops zur „Arbeitsplatz-Ergonomie“ bieten Unterstützung für Unternehmen und Mitarbeitende, die sich bei dem Thema unsicher sind und professionelle Beratung suchen.
Fazit
Von einer gesunden Raumgestaltung profitieren Mitarbeiter:innen und Unternehmen gleichermaßen. Betriebe können dadurch: die Motivation und Leistungsfähigkeit ihrer Beschäftigten steigern, das Raumklima verbessern, eine positive Atmosphäre schaffen, krankheitsbedingte Ausfälle minimieren und die Gesundheit ihrer Mitarbeiter:innen fördern. Attraktive Büros sind aber zugleich auch ein Pluspunkt, wenn es darum geht, neue Beschäftigte für das Unternehmen zu gewinnen. In Zeiten von hybriden Arbeitsmodellen, in denen die Anwesenheit im Büro nicht selten auf Freiwilligkeit beruht, wollen Arbeitnehmer:innen einen Mehrwert erkennen, wenn sie den Weg ins Büro auf sich nehmen. Das Büro der Zukunft muss deshalb kein Wellness-Tempel sein, sollte aber den Bedürfnissen der Angestellten mit einer gesunden Raumgestaltung gerecht werden. Die Idee der Healing Architecture kann hier wertvolle Impulse liefern.