To change or not to change? Change-Management im Fokus

Change-Management ist einer der Begriffe, der die Arbeitswelt seit einiger Zeit prägt. Doch was versteht man eigentlich genau darunter, warum ist es so schwer, Change-Prozesse zu implementieren und was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Veränderungsprozesse? Um diese Fragen zu klären, haben wir mit den Change-Expert:innen Jennifer Reckow und Markus Müller gesprochen. Sie zeigen die Chancen für Unternehmen auf und erklären, wie sich typische Fallstricke in Change-Prozessen vermeiden lassen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Bedingt durch den Digitalisierungsschub müssen sich Unternehmen heutzutage fortlaufend verändern, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
  • Change-Management lautet der Begriff für die systematische Begleitung von Veränderungsprozessen.
  • Die Implementierung in Unternehmen ist alles andere als leicht: Studien zufolge scheitern fast drei Viertel aller Change-Prozesse in Deutschland.
  • Wie die Change-Expert:innen Jennifer Reckow und Markus Müller erklären, kommen es neben einer transparenten Kommunikation vor allem darauf dann, dass Führungskräfte hinter dem Change-Prozess stehen.
  • Ein professionelles Change-Management kann den Krankenstand im Unternehmen reduzieren und die Mitarbeitendenfluktuation senken.
Frau zeichnet im Büro etwas an ein transparentes Whiteboard
Digitalisierung, Umstrukturierung und Nachhaltigkeit sind nur drei der zahlreichen Change-Management-Themen, die aktuell in Unternehmen auf der Agenda stehen. iStock/ Pekic

„Nichts ist so beständig wie der Wandel“. Dieses altbekannte Zitat des griechischen Philosophen Heraklit beschreibt die heutige Zeit recht treffend. Vor allem durch die Digitalisierung ist „change“ (dt.: Wandel, Veränderung) seit einigen Jahren ein ständiger Begleiter für Unternehmen. Aktuell beherrscht bekanntermaßen die KI-Software ChatGPT die Schlagzeilen. Expert:innen gehen davon aus, dass die Software, die vollständige Texte ausarbeiten kann, das Potential besitzt, die Arbeitswelt grundlegend zu verändern.

Innovationen wie ChatGPT sind ein typisches Beispiel für Change-Management-Themen. Wie beeinflusst die Veränderung unseren (Berufs-)Alltag? Welche Vor- aber auch Nachteile bergen sie? Wir blicken etwas genauer hinter den Begriff des Change Managements.

Change-Management – eine Definition

Unter Change-Management versteht man allgemein die „laufende Anpassung von Unternehmensstrategien und -strukturen an veränderte Rahmenbedingungen“. Insbesondere durch den Digitalisierungsschub in den vergangenen Jahren stehen Unternehmen praktisch fortlaufend vor der Herausforderung, sich verändern zu müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Hinter Change-Management steht die Erkenntnis: Viele Veränderungen lassen sich nicht aufhalten, sie lassen sich aber erfolgreich managen. Und Unternehmen profitieren langfristig davon, weil zum Beispiel die Mitarbeitendenzufriedenheit steigt, der Krankheitsstand zurückgeht und allgemein die Fluktuation sinkt.

Ziele von Change-Management-Prozessen können zum Beispiel sein:

  • Stärkere Kundenorientierung (Wie kann man die Unternehmensangebote verbessern?)
  • Expansionsbemühungen (Wie kann es gelingen, in ausländischen Märkten Fuß zu fassen?)
  • Innovation (Wie kann man Neues schaffen?)
  • Nachhaltigkeit/Corporate Social Responsibility (Wie kann das Unternehmen seinen ökologischen Fußabdruck verbessern?)

Unternehmen sollten sich bewusst machen: Viele Veränderungen lassen sich durch aktives und professionelles Change-Management positiv gestalten. „Die große Chance liegt darin, dass Neuerungen in der ganzen Bandbreite besser angenommen werden und nicht so viel schiefläuft“, sagt Markus Müller, Berater und Dozent für Change-Management und Innovation. Der Schweizer hat sich mit seiner Agentur „Soulworxx“ insbesondere auf den Umgang mit Innovationen in Unternehmen spezialisiert.

Doch auch er kennt die Herausforderungen bei der Implementierung von Change-Prozessen im Unternehmenskontext – und die wenig ermutigenden Statistiken. Laut der „Mutaree Change-Fitness-Studie 2018/19“ zum Beispiel scheitern fast drei Viertel aller Change-Prozesse in Deutschland. Eine aktuelle Untersuchung von Porsche Consulting liefert die Erkenntnis, dass sieben von zehn Unternehmen mit ihren Transformationsvorhaben scheitern. Stellt sich die Frage: Woran mangelt es also in deutschen Unternehmen bei der Umsetzung von Change-Prozessen?

©processline GmbH

Woran es in Change-Prozessen haken kann

Laut Jennifer Reckow, Gründerin und Geschäftsführerin der Unternehmensberatung „processline“ und Vorsitzende des Fachverbands Change Management des Bundesverband deutscher Unternehmensberatungen (BDU e.V.), liegt es nicht an einer mangelnden Akzeptanz von Veränderungsprozessen in den Unternehmen.

Sie sagt: „Das Bewusstsein, dass ein Change-Prozess eine Architektur braucht, fehlt oft. Ein professioneller Change-Management-Begleiter im Unternehmen muss wissen, wie Veränderungen ablaufen, welche Phasen ein Change-Prozess hat und was man tun muss, um am Ende eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit zu haben. Wichtig dafür ist Transparenz in jeder Phase des Veränderungsprozesses und Kenntnis darüber, wie man mit Menschen umgehen muss.“ Mit Architektur meint Reckow das theoretische Know-How, wie Change-Prozesse ablaufen. Es gibt zahlreiche Modelle, um Change-Management-Prozesse zu organisieren. Ein bewährtes ist zum Beispiel das 5-Phasen-Modell des deutschen Wirtschaftswissenschaftlers Wilfried Krüger. Demnach durchläuft jeder Change-Prozess die fünf Phasen der Initialisierung, Konzeption, Mobilisierung, Umsetzung und Verstetigung.

Informationsquelle: Personio

Erfolgsfaktoren des Change-Managements: Auf die Kommunikation kommt es an!

Theoretische Gerüste wie das 5-Phasen-Modell helfen dabei, zu verstehen, welche Faktoren über Erfolg und Misserfolg von Change-Prozessen entscheiden. An allererster Stelle steht die transparente und klare Kommunikation des Veränderungsprozesses, betont Markus Müller: „Der wichtigste Faktor ist die Kommunikationsphase – also die Phase, in der man Menschen an Bord holt. Das ist die wichtigste Aufgabe im Change-Prozesse – sie wird jedoch häufig vernachlässigt. Unternehmen sollten in dieser Anfangsphase transparent und empathisch kommunizieren und auf Ängste und Befürchtungen ihrer Mitarbeitenden eingehen.“

Mit den Ängsten und Befürchtungen von Mitarbeitenden spricht Müller einen Punkt an, der häufig bei Change-Prozessen eine Hürde bildet. Unternehmen sollten sich bewusst machen: Nicht alle Beschäftigten sind über Veränderungen erfreut. Nehmen wir das anfangs genannte Beispiel „ChatGPT“: Manch ein Redakteur oder eine Redakteurin könnte zum Beispiel befürchten, dass sein oder ihr Arbeitsplatz mit Einführung der Technologie im Verlag in Gefahr ist. Ob zu Recht oder zu Unrecht sei dahingestellt, aber ganz von der Hand zu weisen sind solche Gedankengänge sicherlich nicht. Eine empathische Kommunikation von Seiten der Verlagsleitung würde in diesem Fall etwa bedeuten darüber aufzuklären, dass die neue Technologie bei einfachen Texten für Entlastung sorgen soll und somit mehr Zeit für aufwändige Recherchen und anspruchsvolle journalistische Darstellungsformen bleibt.


Überblick: Diese Themen stehen aktuell im Mittelpunkt des Change-Managements deutscher Großunternehmen

Laut der Studie „Change Management Compass 2023“ von Porsche Consulting sind Digitalisierung, Nachhaltigkeit und neue IT-Systeme aktuell die Top-Themen der Transformation – sie haben seit 2020 klar an Bedeutung gewonnen. Aber auch die Reorganisation (bzw. Umstrukturierung) des Unternehmens und Automatisierung von Prozessen sind wichtige Punkte auf der Change-Management-Agenda der 100 größten deutschen Firmen.


Die Rolle von Führungskräften

Ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor von Change-Prozessen ist das Verhalten der Führungskräfte im Unternehmen. Doch ihnen selbst ist das offenbar nicht immer bekannt, wie Jennifer Reckow betont: „Führungskräfte sind sich heutzutage immer noch nicht ausreichend bewusst, dass sie eine Vorbildfunktion haben und das Gelingen eines Change-Prozesses maßgeblich davon abhängt, wie die Führungskraft hinter diesem steht. Es geht darum, dass Führungskräfte ihre Verantwortung wahrnehmen und die Veränderungs- und Lernprozesse selbst gestalten müssen.“

Führungskräfte stehen nicht immer vorbehaltlos hinter Change-Prozessen. Auch sie haben – ähnlich wie ihre Mitarbeitenden – mitunter Sorgen und Ängste, was den Ausgang des Prozesses betrifft. Doch wie Untersuchungen zeigen, ist mangelnde Führung nach unzureichender Kommunikation der zweithäufigste Grund, warum Change-Prozesse scheitern. Bedeutet im Umkehrschluss: Für ein erfolgreiches Change-Management ist das Commitment (dt.: Selbstverpflichtung, Hingabe) der Führungskräfte eine unabdingbare Voraussetzung.

©Susana Metzger

+++ Agiles Projektmanagement +++

Agilität ist in den vergangenen Jahren zum Buzzword geworden. Der Begriff wird leider oft falsch oder missverständlich verwendet, meint Change-Expertin Jennifer Reckow: „Das Problem ist, dass der Begriff Agilität oft mit Flexibilität gleichgesetzt wird. Deshalb stehe ich mit dem Begriff ein wenig auf dem Kriegsfuß. Ein Change-Prozess ist von jeher iterativ, er läuft strukturiert ab – je strukturierter er ist, desto erfolgreicher verläuft er.“ Das angesprochen iterative (wiederholende) Vorgehen ist ein Grundprinzip von Agilität. Darüber hinaus sind eine schnelle Umsetzung, eine hohe Anpassungsfähigkeit und große Eigenverantwortlichkeit der mitwirkenden Personen charakteristisch für agiles Projektmanagement. Anders als das klassische, traditionelle Projektmanagement gilt es als weniger planungsorientiert und daher anpassungsfähiger.


Generationenkonflikte verstehen

Ein dritter wesentlicher Faktor, der über den Erfolg oder Misserfolg von Change-Prozessen entscheidet, ist die Frage, wie gut die verschiedenen Generationen in der Belegschaft in die Veränderungsprozesse eingebunden werden. Eine These lautet oft: Ältere oder länger betriebszugehörige Mitarbeitende tun sich mit Veränderungen schwerer und stehen diesen deshalb eher ablehnend gegenüber.

Eine Annahme, die Change-Expertin Jennifer Reckow so nicht bestätigen will – sie gibt allerdings zu bedenken: „Wir haben heutzutage bis zu fünf Generationen in einem Unternehmen, die völlig anders reden, denken, agieren und einen ganz unterschiedlichen Erfahrungshorizont haben. Das pauschale Urteil, dass sich ältere Beschäftigte mit Veränderungen schwerer tun, trifft meiner Meinung nach nicht zu. Aber es ist notwendig, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Generationen einzugehen und allen Respekt entgegenzubringen.“ Heißt mit anderen Worten: Babyboomer:innen beispielsweise (Jahrgänge 1950-1964) haben andere Denkweisen und Gewohnheiten, als jüngere Kolleg:innen, wie etwa die aus der Generation Z (Jahrgänge 1995-2009). Markus Müller nennt hierfür ein banales Beispiel: „Viele ältere Mitarbeitende haben zum Beispiel ein Problem damit, keinen eigenen Schreibtisch mehr zu haben, auf dem sie ein Foto ihrer Familie aufstellen können.“ Wer den Wandel erfolgreich managen will, braucht also auch ein Verständnis für die Diversität der Belegschaft und muss die Kommunikation entsprechend anpassen.

Fazit

Eine empathische und transparente Kommunikation, das Commitment der Führungskräfte und ein Verständnis für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Generationen im Unternehmen sind also wesentliche Erfolgsvoraussetzungen für Change-Prozesse. Immer mehr Betriebe schaffen dafür die Position eines Change-Managers oder einer Changer-Mangerin. Doch ist das überhaupt sinnvoll? Ja – sagen Jennifer Reckow und Markus Müller. Letzterer gibt zu bedenken: „In unserem Wirtschaftssystem hat normalerweise kein Mensch mehr Zeit für zusätzliche Aufgaben. Es braucht deshalb ein Team oder eine Person, die zumindest temporär in einem gewissen Umfang freigestellt wird, um so einen Change auf operativer Ebene zu steuern und zu begleiten.“

Reckow mahnt allerdings an, dass eine solche Stelle allein nichts bringe, wenn es ihr an Befugnissen und einem ausreichenden Budget fehle. Für sie ist es entscheidend, dass alle Mitarbeitenden im Unternehmen – und insbesondere die Führungskräfte – mit einer Change-Kompetenz ausgestattet sind. Die funktioniere, laut Reckow, vor allem über eine aktive Einbindung in laufende Veränderungsvorhaben und über gezielte Weiterbildungen in Instituten für systemische Organisationsentwicklung beispielsweise. All das habe auch Auswirkungen darauf, wie gesund ein Unternehmen sei. „Mit einem professionellen Change-Management kann einem hohen Krankenstand, einer hohen Mitarbeitendenfluktuation und dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden“, ist sie überzeugt. Bleibt also festzuhalten: Ein starker Change-Manager/eine starke Change-Managerin ist sinnvoll, er oder sie kann die Bedeutung des Themas nach innen wie nach außen betonen. Doch letztlich muss das ganze Unternehmen fit für den Wandel sein. Denn auch künftig wird gelten: „Nichts ist so beständig wie der Wandel.“


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Stand des Artikels: 01.03.2023
Die Autorin

Alina Nagel

MEDISinn-Redaktion
Die Autorin

Yvonne Müller

MEDISinn-Redaktion

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