Effektives BGM ist ein Erfolgsfaktor für Unternehmen

Betriebliches Gesundheitsmanagement kann mehr als nur Prävention. Es steigert die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Es stärkt ihre Bindung zur Firma und ist ein Wettbewerbsvorteil im War for Talents. Richtig eingesetzt kann BGM sogar den Aktienwert eines Unternehmens steigern. Wir erklären, worauf es ankommt.

Das Wichtigste in Kürze

  • BGM beugt physischen und psychischen Belastungen der Mitarbeitenden vor und hat einen positiven Effekt auf das Arbeitsklima.
  • Gesunde und zufriedene Mitarbeiter:innen sind motivierter und leistungsfähiger.
  • Viele Talente achten auch beim Bewerbungsprozess darauf, ob ein Unternehmen etwas für die Gesundheit seiner Beschäftigten tut. Das macht BGM zu einem Wettbewerbsvorteil.
  • Erfolgreiches BGM ist an die Bedarfe der Firma angepasst.
  • BGM kann so unterschiedlich sein wie die Mitarbeitenden eines Unternehmens.
  • Krankenkassen sind verpflichtet, Firmen finanziell dabei zu unterstützen.
  • Auch Kleinstunternehmen können sich ein erfolgreiches BGM leisten.
Unternehmen, die in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter:innen investieren, profitieren nachhaltig. Nicht nur wird mit BGM-Maßnahmen die Leistungsfähigkeit gesteigert, sondern auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden sowie die Attraktivität als Arbeitgeber.

Nach zwei Jahren Pandemie ist die Bereitschaft der Deutschen, ihren Job zu wechseln, so hoch wie selten zuvor. 40 Prozent sagen, dass sie in einem Jahr nicht mehr bei ihrer derzeitigen Firma sein wollen. Genauso viele sind gerade entweder aktiv auf der Suche nach einem neuen Job oder halten wenigstens die Augen nach Angeboten offen. Zu diesen Ergebnissen kommt der aktuelle Gallup Engagement Index, eine Umfrage, die seit 21 Jahren jährlich die Mitarbeiterzufriedenheit der Belegschaften misst.

Beschäftigte fühlen sich demnach seit der Pandemie von ihrem Job deutlich gestresster als zuvor: 38 Prozent der Befragten bestätigten, dass sie in den letzten 30 Tagen das Gefühl hatten, auf Grund von Arbeitsstress innerlich ausgebrannt zu sein.
Was die Umfrage aber auch zeigt: Mitarbeitende, die eine hohe Bindung zu ihrem Unternehmen spüren, äußern seltener den Wunsch, die Firma zu wechseln, und sie fühlen sich seltener ausgebrannt.

Ein effektives Betriebliches Gesundheitsmanagement zahlt auf beides ein: Es kann dazu beitragen, dass die Mitarbeitenden sich weniger gestresst fühlen. Und es stärkt die Bindung der Angestellten ans Unternehmen. Laut einer Analyse von Asklepios und Roland Berger steigert ein erfolgreiches BGM die Mitarbeiterzufriedenheit sogar so deutlich, dass die Fluktuation um 40 Prozent abnimmt.

Aber wie etabliert man ein Betriebliches Gesundheitsmanagement im Unternehmen, das die Mitarbeitenden gesund hält, zufrieden stellt und dadurch an die Firma bindet? Darüber haben wir mit Jörg Talaga, Geschäftsführer bei MEDISinn, und Antonia Abwander, Expertin für Gesundheitsfördernde Organisationsentwicklung und Produktmanagerin bei MEDISinn, gesprochen.

Das Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) hat in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Was gehört eigentlich alles dazu?

Antonia Abwander: Zum klassischen BGM zählen der Arbeits- und Gesundheitsschutz, das betriebliche Eingliederungsmanagement und die Betriebliche Gesundheitsförderung.

Nicht jede Maßnahme ist gesetzlich vorgeschrieben. Was ist Pflicht und was ist Kür?

Antonia Abwander: Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie BEM – also Betriebliches Eingliederungsmanagement –sind verpflichtend. Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung, wie beispielsweise Angebote zu Stressbewältigung oder Rückenschule, sind für Unternehmen freiwillig. Trotzdem sind diese aber sehr zu empfehlen, um die Gesundheit der Beschäftigten zu fördern und ein gutes Arbeitsklima im Unternehmen zu gewährleisten.

Das heißt, am Ende profitiert auch das Unternehmen wieder von einem guten BGM?

Antonia Abwander: Auf jeden Fall! Neben den offensichtlichen Vorteilen des BGM, sprich der Prävention von physischen und psychischen Belastungen, gibt es nämlich noch viele weitere. Generell hat Betriebliches Gesundheitsmanagement einen positiven Effekt auf das Arbeitsklima. Und wer gesunde und zufriedene Mitarbeiter:innen hat, der hat auch motivierte und leistungsfähige Mitarbeitende. Bemerkenswert ist hier, dass sogar Arbeitnehmer:innen, die selbst gar keine Maßnahmen in Anspruch nehmen, diese positiv bewerten. Denn so wird ihnen vermittelt, dass die Gesundheit der Beschäftigten ein wichtiges Thema für ihre Firma ist. Viele Talente achten auch schon im Bewerbungsprozess darauf, ob ein Unternehmen etwas für die Gesundheit seiner Beschäftigten tut. Das macht BGM zu einem Wettbewerbsvorteil im War for Talents.

Eine Studie von Asklepios und Roland Berger ergab kürzlich, dass BGM sogar den Aktienwert eines Unternehmens beeinflussen kann. Können Sie diesen Effekt erklären?

Antonia Abwander: Wenn ein Unternehmen die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten durch BGM-Maßnahmen fördert, wirkt sich das natürlich positiv auf den ökonomischen Nutzen des Unternehmens aus. Fluktuationsrate und AU-Tage sinken, und die Mitarbeiter:innenbindung wird gestärkt. Das ist bereits durch viele Studien belegt worden. Diese Effekte können natürlich auch eine positive Wirkung auf den Aktienwert eines Unternehmens haben.

Jörg Talaga: Wir sind mit einigen unserer Kunden im Austausch, inwieweit BGM-Maßnahmen Einfluss auf das Geschäftsergebnis haben und wie man dies repräsentativ nachvollziehen kann. Damit würden noch mehr Unternehmen diesen positiven Effekt selbst umsetzen wollen.

Worauf muss ich achten, damit das Betriebliche Gesundheitsmanagement erfolgreich ist?

Antonia Abwander: Die Zielsetzungen, Strategien, Maßnahmenplanung und die Umsetzung sollten natürlich immer an die Probleme beziehungsweise an den Bedarf des Unternehmens angepasst werden. Dies gelingt durch eine hohe Einbeziehung der Beschäftigten, beispielsweise durch Befragungen. Auch eine Auswertung der AU-Tage oder die Ergebnisse einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung bringen wichtige Informationen. Denn eine Maßnahme, die nicht an die Bedarfe angepasst ist, bringt den Mitarbeiter:innen recht wenig. Wichtig ist außerdem eine gute Evaluation, die in der Praxis leider noch zu selten umgesetzt wird, aber sehr wichtig für den Erfolg einer Maßnahme ist. Denn so kann die Wirksamkeit einer Maßnahme überprüft werden.

Die eine einzig richtige Strategie gibt es beim Thema BGM also nicht?

Antonia Abwander: Natürlich gibt es „klassische“ Themen, wie beispielsweise die Rückengesundheit beim Bürojob, oder richtiges Heben und Tragen bei handwerklichen Jobs. Trotzdem ist eine individuelle Herangehensweise immer empfehlenswert. Schließlich kann die Arbeitsbelastung – je nach Rahmenbedingungen – sehr unterschiedlich ausgeprägt sein.

Der Gratis-Obstkorb ist inzwischen ja fast schon Standard. Einige Firmen werben darüber hinaus mit Maßnahmen wie Massagen oder Outdoor-Events. Gibt es denn Angebote, die stärker als andere helfen, Mitarbeitende ans Unternehmen zu binden?

Antonia Abwander: Auch hier gibt es keine allgemeingültige Antwort, denn jedes Unternehmen ist anders. Generell würde ich aber sagen, dass wiederkehrende Maßnahmen meist wirksamer sind als Einzelmaßnahmen. Das heißt, lieber eine regelmäßig stattfindende Ernährungsberatung für die Mitarbeiter:innen anbieten als einen Obstkorb in der Küche oder einen einmaligen Kochkurs. Natürlich klingen Maßnahmen wie diese erstmal sehr attraktiv und sind sicherlich auch wirksam. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass im Idealfall nachhaltige und individuell angepasste Maßnahmen integriert werden sollten, die langfristig Ursachen von Belastungen beheben.

Die Pandemie hat die Arbeitswelt verändert. Wo findet das größte Umdenken statt?

Jörg Talaga: Es ist auf jeden Fall eine deutlich breitere Sensibilität für das Thema Gesundheit generell und für mentale Probleme im Besonderen entstanden – sowohl bei den Unternehmen als auch bei den einzelnen Mitarbeitenden. Damit sind vor allem die mentalen Themen viel schneller aus der Tabu-Ecke herausgekommen.

Das ist an sich ja eine positive Entwicklung, stellt Unternehmen aber auch vor neue Herausforderungen. Wie kann MEDISinn hier unterstützen?

Jörg Talaga: Unsere Plattform bietet Unternehmen ganzheitliche Leistungen. Ob es eine Ergonomie-Beratung am Arbeitsplatz ist, eine G 37-Augenuntersuchung oder ein Kurs zur Ernährungsberatung im Alltag. Gerne begleiten wir Prozesse auch von Anfang an, zum Beispiel mit der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung: Diese ist gesetzlich konform, kompakt und leicht zu implementieren. Es liefert den Unternehmen Hinweise darauf, an welchen Stellschrauben sie drehen müssen, um die Situation für die Mitarbeitenden zu verbessern. Im Anschluss daran, finden sie auf unserer digitalen Plattform ein vielfältiges und ganzheitliches Angebot an Maßnahmen, die diesen Anforderungen gerecht werden. Unser Ziel: für jedes Unternehmen, jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin die passende Gesundheitslösung anzubieten.

Bei Angeboten, die die psychische Gesundheit betreffen, scheuen sich Mitarbeitende womöglich davor, sie wahrzunehmen, um nicht vor dem Chef oder der Chefin als gestresst, überfordert oder labil dazustehen. Wie kann man das umgehen?

Antonia Abwander: Hier bietet es sich gegebenenfalls an, Maßnahmen ohne die Führungskräfte durchzuführen, damit es den Beschäftigten ermöglicht wird, offen über ihre Sorgen und Probleme zu sprechen. Teilweise kann es auch Sinn machen, Maßnahmen komplett anonym anzubieten. Dies ist beispielsweise durch ein EAP-System, also eine externe Mitarbeiterberatung, gut möglich.

Wenn ich mich als Unternehmen für ein professionelles Gesundheitsmanagement entscheide: Wie gehe ich das an?

Antonia Abwander: Das kommt immer auf die Größe des Unternehmens und die Zahl der Mitarbeitenden an. Generell bietet es sich an, feste BGM-Strukturen im Unternehmen zu verankern und einen Steuerungskreis zu erstellen. Natürlich gibt es auch eine Vielzahl an externen Anbieter:innen, die sich auf den Aufbau von BGM-Strukturen in Unternehmen fokussiert haben und dabei auf die Bedarfe sowie gegebenenfalls schon bestehenden Inhalte und Strukturen der jeweiligen Unternehmen eingehen können. Sie können eine gute inhaltliche Unterstützung bieten.

Gibt es auch die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung?

Antonia Abwander: Hier sind die Krankenkassen Ansprechpartner, weil sie laut dem Leitfaden für Prävention gesetzlich für die Umsetzung von BGM verpflichtet sind. Das kann besonders für Kleinunternehmen interessant sein. Eine weitere Möglichkeit ist der Zusammenschluss von mehreren kleineren Firmen: Dann können BGM-Maßnahmen für die Beschäftigten dieser Unternehmen angeboten werden.

Kann man generell eine Empfehlung geben: großer versus kleiner Geldbeutel?

Antonia Abwander: Manche Maßnahmen können sehr kostengünstig und trotzdem wirksam sein, andere teuer und weniger wirksam. Deshalb würde ich nicht sagen, dass für BGM unbedingt immer viel Geld ausgegeben werden muss. Man sollte sich aber vor Augen halten, dass auch die Kosten hoch sind, die im Unternehmen durch krankheitsbedingte Fehlzeiten entstehen. Durchschnittlich werden 250 Euro pro Fehltag und Mitarbeiter:in geschätzt. Deshalb lohnt es sich für Arbeitgeber, ins BGM zu investieren, um vor allem langfristige Ausfälle von Beschäftigten zu vermindern.

Ob App, Online-Seminar oder -Event: Das Angebot an digitalen BGM-Maßnahmen ist riesig. Braucht es in Zukunft keine physischen Begegnungen mehr?

Jörg Talaga: Es lässt sich natürlich nicht alles gleich gut und beliebig von Präsenz auf Distanz umstellen. Ein Team-Building ist auf Distanz sicherlich nicht in gleichem Maße wirksam wie das Pflegen eines bestehenden Teams.

BGM ist das eine, Führung das andere: Was können Führungskräfte tun, damit Mitarbeitende im Homeoffice weiterhin zufrieden sind und gute Leistung erbringen?

Jörg Talaga: Führung muss sich gleichermaßen verändern und den neuen Herausforderungen anpassen. Wer Führung als Kontrolle erbrachter Leistungen versteht, wird mit einem agilen Arbeitsmodell keinen Erfolg haben.

Und welche Rolle spielt Führung, damit BGM funktioniert?

Antonia Abwander: Eine sehr wichtige Rolle. Nur wenn die Führungskräfte von der Wirksamkeit des BGM überzeugt sind, sind sie auch bereit zu investieren. Dafür ist es hilfreich, über Inhalte, Ziele und Nutzen von BGM aufzuklären, um Führungskräfte von den Vorteilen der BGM-Strukturen zu überzeugen. Sobald Führungskräfte mit an Bord sind und für das Thema Gesundheit brennen, steht der Umsetzung von BGM kaum etwas im Weg. Und natürlich ist auch das Thema Kommunikation wichtig, denn die Mitarbeiter:innen sollten ja auch über stattfindenden Maßnahmen Bescheid wissen. Und nicht zuletzt, kann das Thema auch extern kommuniziert werden und somit auch für Bewerber:innen attraktiv sein.


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Stand des Artikels: 25.04.2022
Die Autorin

Alina Nagel

MEDISinn-Redaktion

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