Paprika oder Pommes? ‚Brainfood' versus ‚Soulfood'
Das Wichtigste in Kürze
- Das Gehirn braucht bestimmte Nährstoffe, um als Hochleistungsorgan rund um die Uhr gut versorgt zu sein.
- Sogenanntes ‚Brainfood‘ besteht aus komplexen Kohlenhydraten, gesunden Fetten, Eiweißen, Vitaminen, Mineralstoffen und einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr.
- Dennoch greifen viele Menschen gerne zu ‚Comfort-Food‘, also fettreichen oder süßen Speisen.
- Wer zu häufig Comfort-Food isst, sollte sein Essverhalten kritisch überprüfen und sich fragen, welche Emotionen dahinterstecken.
- Ein Ernährungstagebuch, intuitives Essen oder Ernährungstrainings und -coachings können dabei helfen, das Essverhalten nachhaltig zu verändern
Ob Saftkuren, Intervallfasten oder Clean Eating – Food- und Fasten-Trends sind heutzutage allgegenwärtig. Sie zeigen, welch hohen Stellenwert die Ernährung in unserer Gesellschaft besitzt. Über allem steht dabei stets die Frage: Wie gesund ist das? Für Arbeitnehmer:innen kommt noch ein weiterer Aspekt dazu: Sie fragen sich, welche Lebensmittel die Konzentration und Leistungsfähigkeit während eines langen Arbeitstages steigern können. Sogenanntes ‚Brainfood‘ – „Gehirnnahrung“ – ist dabei in jüngster Vergangenheit verstärkt in den Mittelpunkt geraten.
Comfort-Food oder Soulfood? Was meinen die beiden Begrifflichkeiten?
Der Begriff ‚Soulfood‘ wird im allgemeinen Sprachgebrauch häufig verwendet, wenn es um „Essen für die Seele“ geht. Soulfood kommt ursprünglich jedoch aus der afroamerikanischen Küche und beinhaltet Gerichte wie gebratenes Hühnchen, Fisch und Maisbrot, Hühnereintopf und Süßkartoffelauflauf. Der Begriff steht in engem Zusammenhang mit der Sklaverei und der Unterdrückung von Afroamerikaner:innen in den Südstaaten der Vereinigten Staaten: Das Soulfood der damaligen Zeit war somit aus der Not geboren und bestand oft aus einfachen Zutaten, die satt machen sollten und besonders kalorienhaltig waren, um die kräftezehrende Arbeit auszuhalten. Da mit der Aneignung des Begriffs eine Relativierung dieser Erfahrung einhergehen würde, was als versteckter Rassismus kritisiert werden kann, sollten wir besser von ‚Comfort-Food‘ sprechen, wenn wir „Essen für die Seele" meinen.
Brainfood – das steckt dahinter
Wie leistungsfähig unser Gehirn ist, hängt von einer guten Durchblutung und der Zufuhr an Sauerstoff sowie wichtigen Nährstoffen aus Lebensmitteln ab. Um als Hochleistungsorgan rund um die Uhr gut versorgt zu sein, braucht das Gehirn ein Fünftel des Energiebedarfs der gesamten Nährstoffzufuhr. Damit spielt die Ernährung eine entscheidende Rolle für das Wohlbefinden, vor allem für den Schutz der Zellen und den Aufbau der Botenstoffe.
Diese Nährstoffe braucht das Gehirn:
- Komplexe Kohlenhydrate gehören zu den wichtigsten Energielieferanten. Sie kann der Körper in Glukose (Traubenzucker) zerlegen und über einen längeren Zeitraum kontinuierlich ins Gehirn abgeben. Ein Frühstück, das die richtigen Kohlenhydrate liefert, sieht zum Beispiel so aus: Vollkornbrot, Haferflocken und ein wenig Obst. Mittags und abends sollten vorzugsweise Gemüse, Salat, Hülsenfrüchte oder Vollkornnudeln auf dem Teller landen.
- Eiweiße sind in erster Linie für den Informationsfluss wichtig, weil sie als Botenstoffe wirken. Gute Quellen sind Fisch, mageres Fleisch, Eier, Milch und Milchprodukte, Hülsenfrüchte, Sojaprodukte, Vollkorngetreide, Nüsse und Gemüse.
- Ungesättigte Fettsäuren aus Nüssen, Lein-, Walnuss- oder Rapsöl und hin und wieder etwas Fisch sind für die Gehirnleistung ebenfalls Gold wert. Sie unterstützen die geistige Fitness. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren – wie Omega-3-Fettsäuren – spielen für die Gehirnfunktion eine wichtige Rolle, da sie das Zusammenspiel der Nervenzellen positiv beeinflussen. Walnüsse, die einen hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren aufweisen, sind also ein perfekter Snack für zwischendurch!
- Vitamine & Mineralstoffe:
- Vitamin C schützt unter anderem die Denkfunktionen des Gehirns und fördert die Gedächtnisleistung. Lebensmittel mit hohem Vitamin-C-Gehalt sind zum Beispiel rote Paprika, viele Kohlsorten, Spinat, schwarze Johannisbeeren oder Kiwis.
- B-Vitamine: Die Vitamine B1, B2, B6, B12 und Biotin sind für die Glukosegewinnung und die Herstellung von Botenstoffen der Nervenimpulsübertragung verantwortlich. Vitamin-B1-Quellen sind beispielsweise Vollkornprodukte, Erdnüsse oder Sonnenblumenkerne. Vitamin B2 findet sich vornehmlich in Milchprodukten, Vitamin B6 z. B. in Kartoffeln, Walnüssen oder Hühnerfleisch, Vitamin B12 überwiegen in tierischen Produkten wie Fisch oder Fleisch und Biotin etwa in Champignons oder Sojabohnen.
- Kalium fördert den Kohlenhydrat-Stoffwechsel und sichert die Nervenimpulsübertragung. Es steckt zum Beispiel in vielen grünen Gemüsesorten wie Spinat, Avocados oder Brokkoli, aber auch in Bananen, Aprikosen oder Datteln.
- Magnesium wirkt Müdigkeit entgegen und verbessert die Konzentrationsfähigkeit und Durchblutung, indem es die Blutgefäße erweitert. Zudem wird dem Mineralstoff eine Anti-Stress-Wirkung zugeschrieben. Für eine ausreichende Versorgung mit Magnesium sorgen Vollkorn- und Milchprodukte, Cashewnüsse, Haferflocken oder Bananen.
- Selen ist ein Spurenelement und schützt die Nervenzellen im Gehirn. Es ist darüber hinaus für den Stoffwechsel und die Stärkung des Immunsystems bedeutend. Selen findet sich z. B. in Pilzen, Kohl- und Zwiebelgemüse, Linsen, Spargel und Paranüssen.
Kurzum: Die perfekte Nahrung für das Gehirn besteht aus komplexen Kohlenhydraten, gesunden Fetten, Eiweißen, Vitaminen und Mineralstoffen. Nicht zu vergessen: Auch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist für die Gehirnleistung unverzichtbar. Wie viel Sie trinken sollten, lässt sich neueren Studien zufolge nicht pauschal sagen. Die Menge hängt von Faktoren wie dem Lebensalter, der Körpergröße, dem Geschlecht oder der körperlichen Aktivität ab. Daher gilt: Am besten auf den eigenen Körper und das Durstgefühl hören. Empfehlenswert sind Wasser oder andere kalorienfreie Getränke wie ungesüßter Tee. Für viele gehört auch der eine oder andere Kaffee zum Arbeitsalltag dazu: Bis zu vier Tassen von dem beliebten Heißgetränk sind aus medizinischer Sicht unbedenklich.
Es gibt also kein spezielles Nahrungsmittel, das unser Gehirn mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt. Der Mix und die Abwechslung sind hier entscheidend. Wer dem Gehirn etwas Gutes tun will, sollte, statt nur auf bestimmte Nährstoffe, lieber auf eine möglichst ausgewogene Ernährung achten. Trotzdem: heutzutage besteht Essen für uns natürlich nicht mehr nur aus der rein funktionalen Nahrungsaufnahme, auch Genuss soll dabei eine Rolle spielen. Manchmal bedeutet das auch, sich etwas zu gönnen, von dem wir eigentlich wissen, dass es nicht den optimalen Nutri-Score hat.
Was ist Comfort-Food und warum mögen wir es so gern?
Wir alle kennen das: Manchmal muss es einfach eine Pizza, die Lieblingsschokolade oder eine Leberkässemmel sein. Für letzteres hat der ehemalige Skirennläufer Felix Neureuther eine Schwäche, wie er vor Kurzem im Podcast „Pizza und Pommes“ des Bayerischen Rundfunks verraten hat. „Das ist aber was fürs Herz. Da geht‘s dir gut, wenn du da reinbeißt. Mag ich schon gerne sowas“ – so begründete der ehemalige Leistungssportler Neureuther seine Vorliebe für den in Bayern populären, aber nicht gerade gesunden Snack.
Für Gerichte, die diesen Effekt auf uns haben, hat sich der Begriff Comfort-Food etabliert. Oft sind das süße oder fettige Speisen, die man aus der Kindheit kennt und mit denen positive Erinnerungen verknüpft sind. Aber auch ein anderer Aspekt spielt eine Rolle, wenn wir die eher ungesunden Lebensmittel für ein kurzfristiges Wohlgefühl oder sogar Trost wählen. Lebensmittel mit hohem Zucker- oder Fettgehalt verändern nämlich tatsächlich unser Gehirn. Wenn wir regelmäßig auch nur kleine Mengen davon essen, setzt ein Gewöhnungs- und Lerneffekt ein. Das Gehirn merkt sich, weiterhin genau diese Lebensmittel essen zu wollen. Wie diese „Zuckerfalle" funktioniert, können Sie auch in unserem Artikel „Wie Nahrung unsere Psyche beeinflusst" nachlesen.
Emotionales Essen erkennen – so funktioniert es
Sofern man sich grundsätzlich gesund und ausgewogen ernährt, ist gegen gelegentliches Comfort-Food nichts einzuwenden. Wenn man allerdings merkt, dass man beispielsweise in Stresssituationen, aus Frust oder Langeweile, häufiger zu ungesunden Speisen greift, sollte man seine Essgewohnheiten hinterfragen.
Haben Sie das Gefühl, sehr oft Comfort-Food zu brauchen? Dann kann es helfen, Ihr Essverhalten zu überdenken. Sechs hilfreiche Strategien:
- Die Ursachen erkennen: Um das eigene Essverhalten zu verstehen, ist es hilfreich, ein Ernährungstagebuch zu führen. Damit kann man seine Essgewohnheiten dokumentieren und gegebenenfalls Muster erkennen, wann man in welchen Situationen zu ungesundem Essen greift. Folgende Informationen sollten im Ernährungstagebuch in Bezug auf das Essverhalten festgehalten werden: Uhrzeit, Speisen/Menge, Getränke/Menge, Anmerkungen/Situation (Wie habe ich mich gefühlt?), ggf. Aktivitäten (Wie viel habe ich mich bewegt?). Das Tagebuch sollte am besten über mehrere Wochen hinweg geführt werden, das erhöht die Aussagekraft. Wer es lieber digital mag, findet eine große Auswahl an Apps, mit denen man sein Essverhalten dokumentieren kann.
- Muster erkennen: Mit dem Ernährungstagebuch hat man bereits eine gute Grundlage dafür. Vielleicht stellt man fest, dass der Griff zur Süßigkeiten-Schublade immer dann erfolgt, wenn man im Job gerade besonders unter Druck steht oder mit einer Aufgabe einfach nicht vorankommt. Erkennt man solche Regelmäßigkeiten, kann man entweder die Ursache angehen, oder versuchen, andere, gesündere Routinen zu schaffen.
- Besser zu gesundem Snack greifen: Ob Datteln, Nüsse oder frisches Obst – wer während eines Arbeitstages Heißhunger verspürt, solle im Zweifel lieber zu solchen Zwischenmahlzeiten greifen, als Schokoriegel, Gummibärchen und Co. – sie sind auch für unsere Gehirnleistung besser. Das ist natürlich leichter als gesagt. Aber versuchen Sie einfach, es sich anzutrainieren, in Situationen, wo ein Schokoriegel nur aus Gewohnheit in der Hand landet und nicht, weil Sie gerade tatsächlich Lust darauf haben. Womit wir auch beim nächsten Punkt wären:
- Intuitives Essen lernen: Das Konzept des intuitiven Essens will ein natürliches Essverhalten fördern, das sich an den eigenen Körpersignalen orientiert. Das langfristige Ziel besteht darin, nur noch bei „echtem“, so genanntem Körper- oder Magenhunger, zu essen und nur noch so viel, bis man sich gerade angenehm satt fühlt. (Leseempfehlung: „Intuitive Eating – A Revolutionary Anti-Diet Approach", Elyse Resch & Evelyn Tribole, 2020)
- Achtsamkeitsübungen in den Alltag einbauen: Achtsamkeit kann ein wichtiges Werkzeug sein, um intuitives Essen zu lernen. Mittlerweile bieten auch viele Krankenkassen ihren Versicherten Achtsamkeitstrainings an. In Bezug auf die Ernährung könnte Achtsamkeit zum Beispiel so aussehen: Ablenkung durch Zeitung, Radio oder Smartphone während des Essens vermeiden – kleine Portionen nehmen – Geruch und Aussehen der Speisen bewusst wahrnehmen – jeden Bissen gründlich kauen – in den Körper hineinspüren, wie er sich anfühlt – bemerken, wann Sättigung eintritt.
- Ernährungs-Coachings in Anspruch nehmen: Wer mit dem eigenen Essverhalten hadert und selbst keine Besserung erzielt, sollte sich nicht davor scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Heutzutage gibt es ein großes Angebot an Ernährungskursen- und coachings. Bei der Suche nach seriösen Ernährungsberatungen ist der Berufsverband Oecotrophologie eine gute Anlaufstelle. Auch ein Gespräch mit der Hausärztin oder dem Hausarzt ist sinnvoll, sollte diese oder dieser eine ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung für eine Ernährungsberatung ausstellen, übernimmt die Krankenkasse die Kosten zumindest teilweise.
Fazit
Verstand versus Emotionen – so lässt sich Brainfood versus Comfort-Food auch beschreiben. Die Gehirnnahrung fördert nicht nur die Leistungsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit im Job, sondern führt auch dazu, dass wir das Risiko für Herz-Kreislauf, Krebs- und andere ernsthafte Erkrankungen verringern. Das wissen die meisten Menschen – und greifen doch immer wieder zu fettigen und süßen Speisen, die der Seele guttun. Denn Comfort-Food hat viel mit Emotionen zu tun und gehört ab und an einfach dazu. Wer jedoch spürt, dass er häufig zu ungesunden Lebensmitteln greift, sollte in sich gehen und sein Essverhalten reflektieren. Spezielle Ernährungskurse und -trainings können hier eine wertvolle Hilfestellung bieten.