So schmeckt Glück: Wie Nahrung unsere Psyche beeinflusst

Viele Menschen schwören darauf: Schokolade macht glücklich. Deswegen greift man vor allem bei Stimmungs- oder Leistungstiefs danach. Diversen Quellen zufolge liegt diesem Phänomen zugrunde, dass Schokolade das Serotonin in unserem Körper steigen lässt, das sogenannte Glückshormon. Aber warum wirkt es bei manchen Menschen mehr als bei anderen? Studien zeigen, Essen kann glücklich machen – aber anders als man denkt. Zuständig dafür ist demnach aber nicht das Serotonin, sondern das Dopamin.

Grafik einer Frau, die sich ein Stück Kuchen bestellt hat und es voller Freude abfotografiert
Oftmals hat Essen eine wohltuende Wirkung auf uns – vor allem dann, wenn wir uns nicht gut fühlen. Deswegen greifen wir oft zu sogenanntem comfort-food, wenn wir das Gefühl haben, unser Serotoninhaushalt braucht einen Anschub.

Was tun Sie, wenn Sie einen schlechten Tag haben? Folgen Sie den Empfehlungen von Gesundheitsmedien, legen die Laufschuhe an und belohnen sich dann mit einem bunten Salat? Oder ziehen Sie, wie, ich nehme an, viele von uns, zu Hause als erstes die Jogginghose an – aber ohne jegliche Intention ihren namentlichen Zweck zu erfüllen? Vor allem wenn es uns mal nicht so gut geht, tendieren viele von uns dazu, sich auf die Couch vor den Fernseher zu legen. Was dabei zumeist nicht fehlen darf: die gute Schokolade, die Kekse, die man für genau solche Momente im Schrank hat, oder die Tiefkühl-Pizza, weil man sich ja sonst nichts gönnt. Im Volksmund nennt man diese Lebensmittel nicht umsonst „comfort-food“, sprich „Wohlfühlessen“.

Wir essen also häufig nicht nur, um unseren Körper mit Nährstoffen zu versorgen, sondern, um uns ein bisschen besser zu fühlen. Das zeigt schon einen recht eindeutigen Zusammenhang zwischen Ernährung und Emotion. Auch die Psychologie macht das deutlich: Essen wir, um zum Beispiel negative Emotionen zu kompensieren, spricht man hier von „emotionalem Essen“. Und solange das in Maßen passiert, ist das auch nicht gefährlich. Anders ist das aber, wenn man sich und seine Gefühle vom Essen abhängig macht, wenn man nicht mehr achtsam genießt, sondern negative Empfindungen regelrecht unter einem Berg an Zucker und Fett vergraben möchte.

Zum Glück gegessen: Wie Ernährung und Psyche zusammenhängen

Ernährung beeinflusst uns und unseren Körper maßgeblich in folgenden grundlegenden Aspekten: Zum einen wirken sich die einzelnen Bestandteile auf unseren Darm, also unser Mikrobiom aus, das ebenfalls Einfluss auf unsere Stimmung hat (mehr dazu in unserem Artikel Nach Bauchgefühl: Wie wir uns individuell gesünder ernähren). Des Weiteren liefern Nahrungsmittel Botenstoffe (Hormone), die wiederum bestimmte Gefühle auslösen können. Und nicht zuletzt beeinflusst sie unsere sinnliche Wahrnehmung, indem sie beispielsweise ein Glücksempfinden auslösen kann, wenn ein Geruch positive Erinnerungen in uns hervorruft, oder auch das Gegenteil: Ekel.

Speziell wenn es um Nahrung und Glück geht, greifen verschiedene Quellen stets darauf zurück, dass bestimmte Lebensmittel das Hormon Serotonin in unserem Körper steigern können. Umgangssprachlich oft auch als „Glückshormon“ bezeichnet, wirkt dieser Botenstoff für Nervenzellen auf Emotionen, Schmerzempfinden, Appetit und vieles mehr. Dabei wurde in der Forschung bereits ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Serotoninmangel und psychischen Beschwerden festgestellt: Bei Menschen, denen eine Depression diagnostiziert wurde, beobachtet man einen eindeutig niedrigeren Serotoninspiegel im Gehirn. Dabei bleibt die Frage offen: In wie fern haben Botenstoffe, die in Nahrungsmitteln enthalten sind, tatsächlich Einfluss auf unsere Psyche?

Einige Forschungsversuche konnten den grundlegenden Zusammenhang zwischen Ernährung und Psyche bereits herausstellen: In einer im Jahr 2010 an über 1000 Frauen durchgeführten Untersuchung beispielsweise konnte sich beweisen lassen, dass diejenigen Frauen, die sich vorwiegend von Gemüse, Obst, Fleisch, Fisch und Vollkornprodukten ernähren, weniger zu Depression und Angststörungen neigen als andere, die hauptsächlich verarbeitete Lebensmittel, Fast Food und zuckerhaltige Produkte zu sich nehmen. Ein Experiment der Universität Oxford hingegen untersuchte das soziale Verhalten von Gefängnisinhaftierten in Verbindung mit Ernährung. Dabei wurde einem Teil der Insassen zusätzlich zur gewöhnlichen alltäglichen Versorgung Tabletten mit Vitaminen, Mineralstoffen und Fettsäuren verabreicht. Über vier Monate ließ sich erkennen, dass Gefangene, die diese zusätzliche Versorgung erhielten, im Durchschnitt rund 37 Prozent seltener in Gewaltakte verwickelt waren als die Gefangenen mit der Standardverpflegung. Auch in den Folgejahren zeigte sich, dass eine gesunde Ernährung zu einem weniger aggressiven Verhalten beitrug. Damit ist es in der Tat richtig: Sich glücklich essen ist möglich. Aber es funktioniert anders, als man vielleicht denken mag.

Zucker: süße oder bittere Versuchung?

Geht es um Essen und Wohlbefinden, denken viele Menschen an Produkte aus oben genanntem comfort-food. Und vielleicht kennen Sie das ja auch selbst: Sie stehen in der Mittagspause an der Supermarktkasse mit dem Salat in der Hand und erspähen direkt neben sich – wie praktisch – ein verführerisches Sortiment an Schoko- und Energieriegeln. Mit einem Griff liegt der Lieblingssnack auch schon auf dem Band und versüßt uns im wahrsten Sinne des Wortes das Nachmittagstief. Die Lebensmittelindustrie wie auch die Werbung zeigen uns stets eindrucksvoll, dass wir mit diesen kleinen Tricks Stimmungstiefs überwinden können und leistungsfähiger werden. Aber tatsächlich macht Zucker an sich uns nicht glücklich – er macht uns süchtig. Denn ein hoher Zuckergehalt lässt unseren Insulinspiegel rasant in die Höhe schießen, was uns natürlich wacher macht, aber nur kurzzeitig. Denn genauso schnell, wie er ansteigt, fällt er auch wieder ab und wir brauchen erneut Nachschub. Zudem enthält zuckerhaltige und fettige Nahrung wie Süßigkeiten und Fast Food auch viele ungesunde Transfette. Diese fördern Entzündungsprozesse im Körper, die nicht zuletzt auch die Stimmung negativ beeinflussen können. Bei einem gelegentlichen Konsum ist das noch nicht gefährlich, ein übermäßiger Konsum aber kann sich negativ auf Wohlbefinden und letztendlich auch die Gesundheit auswirken.


Wer das Nachmittagstief nachhaltig vermeiden möchte, sollte nicht zu stark zuckerhaltigen oder fettigen Nahrungsmitteln greifen. Zu viel Zucker lässt den Insulinspiegel nur kurzzeitig ansteigen und dann rapide wieder abfallen. Fettige Nahrung hat die Eigenschaft, dass sie schwer im Magen liegt und uns zwar entspannt, aber damit auch müde macht. Empfehlenswert sind ballaststoffreiche Lebensmittel, die länger satt halten, die Verdauung anregen, grundsätzlich eine gesunde Darmflora begünstigen und zudem die Aufnahme von Zucker ins Blut verlangsamen. Damit steigt der Insulinspiegel langsam, aber kontinuierlich an und bleibt anschließend länger gleichmäßig hoch.

Zu guten Ballaststoffquellen zählen zum Beispiel:

  • Vollkornprodukte (z.B. ein Vollkornbrot mit Salat, Tomate, Gurke und Frischkäse)
  • Hülsenfrüchte (z.B. Erbsen mit Quinoa und Avocado) – Vorsicht ist allerdings bei Bohnen geboten. Sie enthalten einen hohen Ballaststoffanteil und sollten daher nur in geringen Mengen verzehrt werden, da sie sonst schnell zu Blähungen und weiteren Beschwerden führen können.
  • Viele Obst- und Gemüsesorten (z.B. Äpfel, Beeren und Trockenfrüchte, wie getrocknete Aprikosen sowie Möhren, Pilze und Kohlsorten)
  • Nüsse und Samen (wie z.B. Cashews, Mandeln und Sonnenblumenkerne)

So schnell, wie es uns wach und vielleicht auch glücklich macht, so schnell sinkt der Blutzuckerspiegel auch wieder in unserem Körper, wenn wir stark zuckerhaltige Lebensmittel zu uns nehmen. Wer sein Nachmittagstief nachhaltig überwinden möchte, sollte daher eher zu ballaststoffreicher Nahrung greifen, zum Beispiel zu Nüssen, Vollkornprodukten oder Obst und Gemüse.

Wie Serotonin aus der Nahrung in unserem Körper wirkt

Dennoch sind viele Menschen davon überzeugt (die Autorin inklusive): Schokolade macht glücklich. Auch bei dieser Theorie wird oft vermutet, dass dies daran liege, dass Schokolade unseren Serotoninspiegel ankurble. Was hat es also auf sich mit dem Glückshormon? Wir sehen es uns mal genauer an:
Serotonin wird vorwiegend im Körper selbst hergestellt und kommt in großen Mengen – rund 95% des körpereigenen Serotonins – im Darm vor. Als Botenstoff für die Nervenzellen sorgt es unter anderem auch dafür, dass Informationsprozesse im Gehirn richtig ablaufen. Somit können Abläufe aus dem Gleichgewicht geraten, wenn man zu wenig Serotonin im Körper hat, und die körperliche wie auch mentale Gesundheit können beeinträchtigt werden. Damit beeinflusst unser Serotoninhaushalt unter anderem auch unsere Kreativität, Leistungsfähigkeit, unseren Schlaf-Wach-Rhythmus sowie unsere Verdauung. Aber wie steht es um unsere Gefühle?
Das scheint leider unrealistisch: Um sich auf unsere Stimmung auszuwirken, muss das Serotonin am Ende im Gehirn ankommen. Dabei hilft grundsätzlich die darin enthaltene Aminosäure Tryptophan, die von den Hirnzellen wiederum in Serotonin umgewandelt wird und damit wortwörtlich im Kopf wirkt. Aber viele Expert:innen sind sich inzwischen einig: Das Serotonin kommt überhaupt nicht so weit. Grund dafür ist die Blut-Hirn-Schranke. Denn selbst wenn das Serotonin es in die Blutbahn schafft, so wird es im Gehirn wieder herausgefiltert. Besondere Mechanismen in den Zellen sorgen hier nämlich dafür, dass nur wenige Substanzen ins Gehirn dringen können. Serotonin, das aus Nahrung aufgenommen wird, gehöre demnach nicht dazu.

Dopamin: Molekül des Begehrens und Glücksbote

„In der Sekunde nun da dieser mit den Gebäckkrümeln gemischte Schluck Tee meinen Gaumen berührte, zuckte ich zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in mir vollzog. Ein unerhörtes Glückgefühl (…)“

Was der französische Schriftsteller Marcel Proust in seinem siebenteiligen Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ beschreibt, als er ein Gebäckstück in Tee taucht, haben Sie vielleicht auch schon einmal erlebt. Ein Geruch, ein Bissen, der uns an einen schönen Moment erinnert und eine genussreiche Situation kreiert. Das kann der Kaffee am Morgen sein, mit dem man eine kurze Auszeit assoziiert, weil man ihn auch gerne frühmorgens auf der Terrasse des Hotelrestaurants im Urlaub genossen hat oder der Duft einer kräftigen Gemüsesuppe, die es früher immer bei den Großeltern zu essen gab, wenn man sie besuchen durfte. Oder einfach die Erinnerung daran, wie gut es schmeckt, wenn Schokolade auf der Zunge schmilzt. Es kann auch die Zufriedenheit sein, die sich einstellt, wenn wir gut gegessen haben und einen vollen Bauch haben – das kennen wir schon seit Säuglingsalter. Unabhängig davon, wie kurz ein Glücksmoment war, der in unserer Erinnerung wohnt, oder wie lange er her ist: Wir wiederholen die Handlungen immer wieder, um die positiven Empfindungen abermals heraufzubeschwören.

Forschungsergebnisse zeigen, dass Essen uns vor allem dann glücklich macht, wenn es Gefühle von Begehren oder positive Erinnerungen hervorruft. Dafür ist das Dopamin zuständig, das dabei in unserem Gehirn ausgeschüttet wird. Wer sich glücklich essen möchte, profitiert daher am meisten davon, das begehrte Essen achtsam zu sich zu nehmen und vor allem: zu genießen.

All dies sind Situationen, in denen unser Körper, oder genauer gesagt unser Gehirn, Dopamin ausschüttet. Das Molekül des Begehrens, wie es genannt wird, kommt immer dann ins Spiel, wenn wir etwas wollen. Wenn wir die Schokolade an der Kasse sehen oder die Suppe nach Omas Rezept auf den Tisch kommt. Das Dopamin gelangt dann in die Bereiche des Gehirns, die dafür sorgen, dass wir gute Gefühle abspeichern und dass wir dann auch aktiv werden und zugreifen. Der Prozess beginnt zunächst mit der bekanntlich schönsten Freude, der Vorfreude. Wenn die Erwartungen dann beim Essen erfüllt oder sogar übertroffen werden, kann er in ein absolutes Glückshoch münden.
Das erklärt übrigens auch, warum einige auf Schokolade schwören während andere wiederum überhaupt nichts davon schmecken wollen. Denn unsere Begierden und unsere Empfindungen sind rein individuell. Wenn Ihnen das Stück Schokolade also guttut, dann lassen Sie es sich gerne schmecken und genießen Sie den Moment. Ungesund wird es erst dann, wenn Sie merken, dass Sie essen, aber es Ihnen dadurch nicht besser geht oder dass Sie nicht mehr aufhören können. Hören Sie auf sich und Ihre Gefühle und achten Sie auf sich. Wir wünschen Ihnen viele genussvolle Momente!


Zu guter Letzt

Wussten Sie, dass Tomatenketchup einst als Medizin verkauft wurde? Seine Geschichte geht bis ins Jahr 1830 zurück, als Ketchup in Pillenform (Dr. Kilkenny’s Ketchup) auf den Markt kam, mit dem Versprechen, Beschwerden wie Durchfall, Verstopfung und sogar Rheuma und Cholera zu heilen. Zwischenzeitlich entstand so auch die Extrahierung des Konzentrats als Sauce. Die Begeisterung für Ketchup als medizinisches Heilmittel endete abrupt als Behörden die Pillen als Schwindel herausstellten. Heute gilt es weder als Heilmittel noch essen wir es weiterhin in Pillenform, aber Ketchup gehört zu den meistverkauften Saucen weltweit. Vielleicht ein Grund dafür: Sie besteht zu einem Großteil aus Zucker; ein Esslöffel entspricht rund einem ganzen Stück Würfelzucker.


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Stand des Artikels: 24.08.2022
Die Autorin

Alina Nagel

MEDISinn-Redaktion

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