Work-Family-Life Balance: Wie Unternehmen Eltern unterstützen können

Einfach ist es nicht. Job und Familie zufriedenstellend zu vereinbaren und beidem in gleichem Maße gerecht zu werden, fällt vielen Menschen schwer. Unternehmen sind deshalb gut beraten, wenn sie ihren Mitarbeitenden familienfreundliche Arbeitsbedingungen bieten. Denn das kann ein entscheidender Vorteil sein, um arbeitssuchende Eltern von sich zu überzeugen. Expertin Diana Tübke gibt Tipps, wie Betriebe Eltern z.B. mit flexiblen Arbeitszeiten, Homeoffice und Co. unterstützen können.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fordert Eltern heraus.
  • Unternehmen können Eltern vor allem mit flexiblen Arbeitszeiten unterstützen.
  • Mobiles Arbeiten, Coaching- und Beratungsangebote fördern ebenfalls die Vereinbarkeit von Job und Familie.
  • Diana Tübke, Expertin für Personal- und Vereinbarkeitsthemen, gibt im Interview Tipps für Unternehmen und Eltern.
Vater arbeitet am Küchentisch und passt gleichzeitig auf seine Töchter auf
Als familienfreundliches Unternehmen können Sie vor allem Eltern den Spagat zwischen Job und Familie erheblich erleichtern. Bildquelle: istock/ Geber86

Arzttermine, Wäsche, Bastelvormittag in der Schule des kleinen und nachmittags zum Tennistraining des großen Sohnes: So ein Freitag kann ganz schön voll sein mit familiären Aufgaben. Max arbeitet seit sechs Jahren in Teilzeit, 32 Stunden – ebenso seine Partnerin Clara. Beide schmeißen den Haushalt gemeinsam, teilen sich die Verantwortung für die Kinder ebenso, wie fürs finanzielle Einkommen. Das heißt für den Arbeitsalltag dann auch mal eine längere Mittagspause, weil es zum Beispiel Zeugnisse gibt, oder Fahrdienste mitten am Tag. Aber: Nicht in jedem Unternehmen ist es möglich, sich die eigene Arbeit so einzuteilen, dass sich Familie und Beruf gut vereinen lassen. Kein Wunder also, dass über die Hälfte der Väter und Mütter die Vereinbarkeit von Familie und Job als große Herausforderung ansehen.

Nur 21% der Befragten finden, dass sich Familie und Beruf in Deutschland gut vereinbaren lassen. Bild- und Informationsquelle: Statista.

Vereinbarkeit Familie & Beruf: Was sich Eltern wünschen

Und doch gibt es viele Stellschrauben, die familienfreundliches Arbeiten erleichtern und so ermöglichen, dass kein Bereich – weder Job noch Familienleben – auf der Strecke bleibt. Fakt ist: Die Mehrheit der Eltern möchte Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren können. Speziell junge Menschen sind sich einig, dass beide Elternteile für Kinder und Familieneinkommen zuständig sein sollten. Dazu sind vor allem familienfreundliche Arbeitgebende, geregelte Kinderbetreuung und finanzielle Sicherheit wichtig. Größten Wert darauf legt vor allem die Generation Z, also die Jahrgänge 1995 bis 2010, die größtenteils noch vor der Familiengründung steht. Für sie gehört „Familie“ zu den wichtigsten Werten und sie ist nicht bereit, dem Job alles unterzuordnen. Unternehmen sind also gut beraten, wenn sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ganz oben auf ihre Agenda setzen. Denn so verbessern sie ihre Chancen im harten Wettbewerb um die jungen Talente.

Status quo – wie Eltern die Arbeit aufteilen

Nach den Erstergebnissen des Mikrozensus 2021 haben rund zwei Drittel aller berufstätigen Eltern im Alter von 20 bis 49 Jahren Kinder unter 6 Jahren. Wobei Väter mit etwa 85 Prozent deutlich häufiger arbeiten als Mütter mit knapp über 50 Prozent. Dominierend ist darüber hinaus in gemischtgeschlechtlichen Paarfamilien nach wie vor das Erwerbsmodell, in dem der Vater in Vollzeit und die Mutter in Teilzeit arbeitet. Wie gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit Kindern die Erwerbsarbeit aufteilen, ist bisher noch unzureichend untersucht. Eine ältere Studie im Auftrag des Bundesjustizministeriums kommt zu dem Ergebnis, dass „leibliche Elternteile auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen seltener als ihre Partner:innen erwerbstätig sind (21% vs. 12%)“. Wenn die leiblichen Eltern arbeiten, dann zu 50 Prozent in Teilzeit. Die „sozialen Eltern“ hingegen gehen deutlich öfter einer Ganztagesbeschäftigung nach (62 % vs. 39 %).

In gemischtgeschlechtlichen Paarfamilien arbeiten sehr oft die Väter in Vollzeit, während die Mütter in Teilzeit arbeiten. Bild- und Informationsquelle: Bundeszentrale für politische Bildung.

Expertin Diana Tübke im Interview

So weit die Zahlen. Doch was können Arbeitgebende tun, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern? Und wie können sich Eltern besser organisieren? Das haben wir Diana Tübke gefragt. Sie ist Expertin für Personal- und Vereinbarkeitsthemen. Nach langjähriger Tätigkeit als Personalmanagerin unterstützt und berät sie nun als systemische Coach, Trainerin und Vereinbarkeitsmanagerin Eltern wie auch Unternehmen rund um den Themenkomplex Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Frau Tübke, wie steht es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland?

Arbeitgebende müssen ihre Bemühungen bei diesem Thema intensivieren – insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels. Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel. Die Corona-Zeit hat zu einem Umdenken geführt: Es gilt nicht mehr der Grundsatz, Anwesenheit ist gleich Leistung. Stattdessen ist mehr Flexibilität in die Arbeitswelt eingekehrt.

Kreative Ideen sind das, was uns derzeit in der Wirtschaft fehlt. Die Mitarbeitenden müssten öfter gefragt werden, was sie wollen und wo der Schuh drückt. Unternehmen brauchen mehr Mut, neue Dinge auszuprobieren.

Was können Unternehmen konkret tun?

An erster Stelle steht eine lebensphasenorientierte Personalpolitik. Das heißt, man muss die alltäglichen Themen der Mitarbeitenden kennen. Neben Kinderbetreuung kann zum Beispiel auch die Pflege von Angehörigen eine große Herausforderung sein. Hilfreich sind hier flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Teilzeitmodelle müssen echte Teilzeitmöglichkeiten sein und nicht Vollzeitstellen mit weniger Lohn.

Ein wichtiger Punkt sind auch Karriereperspektiven: Hier gibt es wunderbare Optionen wie beispielsweise Jobsharing, mit denen Führungspositionen in Teilzeit viel besser ermöglicht werden. Diese einzelnen Maßnahmen sollten in eine Strategie eingebettet sein, die auf die Bedürfnisse der Belegschaft ausgerichtet ist.

©Meike Kuether

Wie wird der bereits angesprochene Fachkräftemangel das Thema beeinflussen?

Es gibt Umfragen, die zeigen, dass Arbeitnehmende sich vor allem flexible Arbeitszeiten und Homeoffice wünschen und bereit sind, dafür sogar auf Gehalt zu verzichten. Unternehmen werden es sich künftig nicht mehr leisten können, diese Punkte zu ignorieren. Es gibt außerdem eine stille Reserve auf dem Arbeitsmarkt von fünf Millionen nicht erwerbstätigen Frauen. Aus dieser Gruppe geben 42 Prozent der Frauen zwischen 25 und 49 Jahren an, dass sie nicht arbeiten, weil sie Kinder oder andere Familienangehörige betreuen.

Viele erwerbstätige Frauen mit Kindern würden wiederum gerne ihre Arbeitszeit erhöhen. Hier braucht es entsprechende Angebote vonseiten der Unternehmen, um dieses Potenzial zu nutzen. Neben konkreten Angeboten wie Jobsharing oder flexible Arbeitszeiten steht übergeordnet eine familienfreundliche Unternehmenskultur, die von oben vorgelebt wird. Dabei helfen die Verankerung der Vereinbarkeitshaltung in den Werten und damit einhergehend in der Führungskräfteentwicklung, regelmäßige Trainings und eine transparente Kommunikationskultur.

Gerade Väter fürchten oft einen Karriereknick, wenn sie mehrere Monate Elternzeit nehmen und sich um ihr Kind kümmern wollen. Wie lassen sich diese Befürchtungen entkräften?

Väter-Netzwerke wie etwa Conpadres sind wichtig, um einen Austausch zu ermöglichen und Role Models im Unternehmen zu etablieren. Außerdem empfiehlt es sich, Väter vorab über Elternzeitmöglichkeiten zu informieren und sie zur Selbstreflexion zu animieren. Darüber hinaus hilft es beiden Seiten, Eltern bei Themen wie der Rückkehr aus der Elternzeit in den Job und Führen in Teilzeit durch Coaching-Programme oder ähnliches enger zu begleiten. Auch Väter müssen die Gewissheit haben, dass sie ein halbes Jahr oder länger Elternzeit nehmen können, ohne dass ihnen das beruflich auf die Füße fällt.


Was Eltern wirklich hilft – Tipps von Diana Tübke

  • Familienservices wie pme oder Viva
  • Angebote zur mentalen Gesundheit wie Resilienz-Trainings
  • Attraktive und flexible Teilzeitmodelle inklusive Führen in Teilzeit, z.B. über Jobsharing
  • flexible Arbeitszeiten
  • mobiles Arbeiten/Homeoffice
  • individuelle Coachingangebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und zur Begleitung nach längeren Auszeiten wie z.B. Eltern- oder Pflegezeiten
  • Betriebs- oder Kooperationskitas

Was können Familien selbst tun, um Job und Privatleben besser unter einen Hut zu bekommen?

Eltern können überprüfen, wie Care Arbeit (Anm. d. Red.: dt. Fürsorgearbeit"; bspw. Kinderbetreuung, Altenpflege, häusliche Pflege) und Mental Load (Anm. d. Red.: psychische Belastung, die durch das Planen und Organisieren von Alltagsaufgaben entsteht) in der Familie verteilt ist. Wer macht was und wer ist für was verantwortlich? Es kommt darauf an, die Verantwortlichkeiten für bestimmte Alltagsaufgaben, wie Geburtstagsgeschenke besorgen und Arzttermine vereinbaren, gerecht zu verteilen. Ansätze wie Scrum for Families" (Anmerkung d. Redaktion: Scrum ist ein Vorgehensmodell aus dem Projektmanagement) können dabei helfen, sich als Familie besser zu organisieren.

Die Arbeitswelt hat sich durch die Corona-Pandemie verändert. Immer mehr Eltern arbeiten von zuhause aus. Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch?

Mitarbeitende sollten darauf achten, sich abzugrenzen und verantwortungsvoll mit flexiblen Arbeitszeiten umzugehen. Unternehmen haben aber auch eine Fürsorgepflicht, das heißt, sie müssen ihre Mitarbeitenden vor der Entgrenzung von Arbeit und Privatleben schützen. Dies kann über ein ausgewogenes Hilfe-zur-Selbsthilfe-Angebot im Bereich der mentalen Gesundheit erreicht werden, zu dem Trainings, Coachings und Informationen zu Gesundheitsthemen zählen. Außerdem können bekannte Stressoren durch Regelungen wie die Einführung von Fokus- bzw. meetingfreien Zeiten gelindert werden.

Frau Tübke, vielen Dank für das Gespräch.

Fazit

Viele Eltern stecken heute in einem Dilemma. Sowohl Väter als auch Mütter wollen teilhaben am Erleben und Erziehungsprozess ihrer Kinder – und sich gleichzeitig auch beruflich verwirklichen. Unverständnis des Arbeitgebers, ökonomische Gründe, mangelnde oder zeitlich begrenzte Betreuung und Inflexibilität des Arbeitgebers stehen dem entgegen. Dabei zahlt sich Familienfreundlichkeit aus: Unternehmen binden damit qualifizierte Beschäftigte an sich. Das eröffnet Vorteile beim Wettbewerb um die besten Köpfe. Wer Beschäftigte mit familiären Verpflichtungen gewinnen möchte, punktet vor allem mit flexiblen Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeiten sowie Trainings- und Coaching-Angeboten, die die Vereinbarkeit von Job und Familie gezielt unterstützen.


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Stand des Artikels: 01.06.2023
Die Autorin

Alina Nagel

MEDISinn-Redaktion
Die Autorin

Yvonne Müller

MEDISinn-Redaktion

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