Die Folgen von COVID-19 für die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz

Seit Jahren nehmen psychische Belastungen in der Arbeitswelt zu. Die Corona-Krise erhöht den psychischen Druck am Arbeitsplatz zusätzlich. Für Verantwortliche in Unternehmen birgt das neue Risiken, aber auch Chancen, jetzt mit gezielten Maßnahmen die psychische Gesundheit Ihrer Mitarbeiter:innen zu verbessern.

Das Wichtigste in Kürze

Die Corona-Pandemie hat weltweit gezeigt, wie wichtig und schützenswert unsere psychische Gesundheit ist und vielfach schon vor COVID-19 bestehende Probleme verschärft. Ein neuer Trend bahnt nun aber auch gerade in der Krise den Weg von der Stigmatisierung weg und hin zu einer offenen Präventionskultur in Wirtschaft und Gesellschaft.

  • Die Lage vor Corona: Psychische Erkrankungen haben in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen
  • Allgemeiner Zusammenhang zwischen psychischer und physischer Gesundheit
  • Dauerstress und seine Begleitfaktoren am Arbeitsplatz als Hauptgründe für psychische Erkrankungen im Beruf
  • Der lange Weg ins Burnout und was Unternehmen dagegen tun können
  • Psychische Präventionsmaßnahmen: Win-win-Situation für Mitarbeiter:innen und Betriebe
  • Unsere Top 10-Sofortmaßnahmen für Unternehmen
Die lange Corona-Krise setzt vielen Arbeitnehmern:innen psychisch zu: durch soziale Vereinzelung, hohen wirtschaftlichen Druck, Zusatzbelastungen im Homeoffice und fehlende Ausgleichsmöglichkeiten. Foto: iStock/Marco VDM.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten nehmen psychische Belastungen in der Arbeitswelt nachweislich zu. Die Corona-Pandemie hat diese Ausgangslage verschärft und rückt das Thema immer mehr in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Die Corona-Krise ist eine einschneidende Situation, die sämtliche Bereiche des alltäglichen Lebens verändert: Neben der vordergründigen Gefahr durch die Krankheit sowie den wirtschaftlichen Einbußen und Unsicherheiten durch Schutzmaßnahmen wie das Social Distancing beeinträchtigt sie auch die psychische Gesundheit. Viele Menschen spüren, wie ihr mentales Wohlbefinden in dieser Ausnahmesituation leidet. Das zeigen ein Jahr nach Beginn der Corona-Krise viele Studien und Untersuchungen auf internationaler und nationaler Ebene.

Corona-Pandemie verschlechtert die psychische Gesundheit

So hat eine repräsentative Umfrage der Non-Profit-Organisation Kaiser Family Foundation vom Juli 2020 unter 1.313 US-Amerikanern über alle Bundesstaaten hinweg Folgendes ergeben: 53 Prozent der interviewten US-Bürger:innen sind der Meinung, dass die mit der Corona-Krise einhergehenden Sorgen und Stressfaktoren ihrer psychischen Gesundheit schaden. Eine Analyse der Unternehmensberatung McKinsey schätzt zudem, dass in den USA als Folge der Pandemie die Zahl der Menschen mit Verhaltensstörungen um 50 Prozent steigen könnte.

Europa: Psyche der Deutschen besonders betroffen

In Deutschland dokumentiert der Mental Health Report des Versicherungsunternehmens Axa vom Juni 2020 unter einer repräsentativen Gruppe von 1.000 Deutschen ähnlich besorgniserregende Entwicklungen. Satte 32 Prozent der in dieser Umfrage Interviewten berichteten von einer Verschlechterung ihrer psychischen Gesundheit im Verlauf der Corona-Krise. Die Studie zeigt auch, dass sich die Menschen stärker mit ihrem mentalen Wohlbefinden beschäftigten. Insbesondere auf jüngere Befragte traf dies zu: Unter den 18- bis 24-Jährigen reflektierten 45 Prozent das Thema psychische Gesundheit stärker, unter den 25- bis 35-Jährigen waren es noch 40 Prozent.

Als Belastungsfaktoren kristallisieren sich seit Pandemie-Beginn Angst und Stress heraus: Laut einer Sonderbefragung der Nako Gesundheitsstudie haben Angst, Stress und Anzeichen von Depressionen bei den Teilnehmern:innen zu Beginn des Lockdowns in Deutschland im Frühjahr 2020 zugenommen. Die Corona-Pandemie verstärkt die individuelle Stresswahrnehmung durch die mit Social Distancing verknüpfte Einsamkeit. Auch Existenzängste, vermehrte Unsicherheiten, negative Veränderungen wie etwa die aus der COVID-19-Pandemie resultierende Wirtschaftskrise oder ein vielfach wahrgenommener Kontrollverlust kommen hinzu.

Durch die Corona-Krise verschärfen sich Belastungsfaktoren im Arbeitsleben

„In Zeiten von Corona ist die psychische Belastung auch bei der Arbeit deutlich angestiegen“, sagt MEDISinn-Gesundheitsberaterin und Psychologin Susanne Schneider. Die Gründe sind vielfältig, erläutert die Expertin für Betriebliche Gesundheitsmaßnahmen weiter: „Oft liegt das zum Beispiel an einer Arbeitsverdichtung auf der einen Seite. Mitarbeiter:innen können im Homeoffice Arbeit und Privatleben schlechter voneinander trennen und die Tendenzen hin zu Überstunden und ständiger Erreichbarkeit steigen oft deutlich an. Häufig sehen sich Mitarbeitende auch mit noch mehr Aufgaben konfrontiert als vor der Pandemie, da das wirtschaftliche Auskommen der Firmen immer virulenter wird. Auf der anderen Seite finden Arbeitnehmer:innen einfach weniger Ausgleich in ihrer Freizeit, da das soziale Leben und die meisten Freizeitaktivitäten außer Haus sehr eingeschränkt sind.” Negative psychische Verhaltens- und Gedankenspiralen nehmen zu.

Risikoreiche Copingstrategien: Überstunden und Dienst nach Vorschrift

Die Folgen zeigen sich im Arbeitsalltag vor allem in zwei Extremen: Sehr leistungsorientierte Mitarbeiter:innen versuchen den Kontrollverlust etwa mit einem noch größeren Arbeitspensum und noch mehr Überstunden auszugleichen. Die Gefahr, dass sie früher ausbrennen und in ein gravierendes psychisches Ungleichgewicht geraten, steigt. Die zweite stark gefährdete Gruppe leidet an einer zunehmenden Isolation und Entfremdung vom Unternehmen im Homeoffice. Ohne die gewohnten Strukturen im Arbeitsalltag und den direkten Kontakt zum Team fühlen sich diese Beschäftigten demotiviert und sind zunehmend unproduktiv, da sie etwa ihre Arbeit als wertlos empfinden oder sich chronisch unterfordert fühlen. „Auch hier steigt der Stress deutlich an, wenn Mitarbeitende sich so von der eigenen Tätigkeit und dem Betrieb entfremden, dass sie nur noch ‚ihre Arbeitszeit absitzen’. Unter- und Überforderung sind beides erhebliche Stressfaktoren, die in der Krise ansteigen”, sagt Susanne Schneider.

Psychische Erkrankungen nehmen in Deutschland seit 1997 zu

Die Entwicklung, dass sich psychische Erkrankungen häufen, ist allerdings insbesondere in Deutschland keineswegs neu. Die Gemengelage hat sich durch die COVID-19-Pandemie lediglich verschärft. Laut Axa Mental Health Report waren bereits zuvor 12 Prozent der Deutschen schon einmal ernsthaft psychisch krank, 28 Prozent berichteten, dass sie von leichten psychischen Erkrankungen betroffen waren – im europäischen Vergleich dieser Studie ist Deutschland damit Spitzenreiter bei ernsthaften psychischen Erkrankungen. Dahinter folgen Großbritannien mit 11 Prozent an in der Vergangenheit ernsthaft psychisch Erkrankten und die Schweiz mit 8 Prozent.

Axa Mental Health Report, September 2020. Grafik: © AXA Konzern AG

Seit zwei Dekaden steigen psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz an

Schon seit 1997, also seit mehr als 23 Jahren, nehmen Krankschreibungen aufgrund psychischer Diagnosen hierzulande kontinuierlich zu. Laut der Krankenkasse DAK stiegen die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen von 2000 bis 2019 um 137 Prozent. Für das Jahr 2019 etwa dokumentierte die Krankenkasse AOK psychische Erkrankungen erstmals noch vor Atemwegserkrankungen als zweithäufigste Ursache für Krankschreibungen unter ihren Versicherten.

Vielfältige Gründe für gestiegene psychische Belastungen im Berufsleben

Die Ursachen für diesen negativen Langzeittrend sind nicht leicht zu identifizieren und vielfältig: Arbeitnehmer:innen, die sich einerseits mit hohen Anforderungen in ihrem Job konfrontiert sehen, gleichzeitig aber geringen Einfluss auf den Arbeitsprozess und Inhalt ihrer Aufgaben nehmen können sowie ihre Arbeit als wenig sinnvoll empfinden, erkranken häufiger psychisch. Weitere Risikofaktoren sind soziale Konflikte mit Kollegen und/oder Vorgesetzten, viele Überstunden, Ressourcenmangel, ein negatives Betriebsklima sowie ein schlechter Informationsfluss. Beschäftigte, die ihren Einfluss auf die eigene Tätigkeit deutlich wahrnehmen und sich wertgeschätzt sowie angemessen honoriert fühlen, sind resilienter. Negativ auf die Psyche wirkt insbesondere auch, wenn Arbeitsplätze als unsicher empfunden werden. Oft sind damit erhebliche Existenzängste sowie wirtschaftliche Unsicherheiten und Probleme verbunden. Vielfach genannt werden auch ein hoher Konkurrenzdruck, immer stärker geforderte Flexibilität, Mobilität und zeitliche Erreichbarkeit, etwa auch durch neue Medien. Außerdem erhöht eine mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Wahrscheinlichkeit, psychisch zu erkranken. Andererseits steigen die Statistiken psychischer Krankheiten unter den Arbeitnehmern:innen auch, weil immer mehr Menschen sich bei psychischen Problemen professionelle Hilfe suchen.

Arbeitsbedingte Risikofaktoren können in ein Burnout münden

Kommt es aufgrund solcher arbeitsbedingter Stressoren sowie individueller psychischer Risikofaktoren zu einer chronische Erschöpfung, einer zunehmend negativen Einstellung der eigenen Arbeit gegenüber und geht das mit einem längere Zeit andauernden Leistungsabfall einher, spricht man von einer Burnout-Erkrankung. In diesem Sinne hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Burnout-Definition offiziell anerkannt und angekündigt, sie in ihr Klassifikationssystem medizinischer Diagnosen ICD-11 aufzunehmen. Ein Burnout kommt aber keineswegs über Nacht. Oft mündet ein langer individueller Leidensweg schließlich in einer Burnout-Erkrankung. Unternehmen können mit gezielten Präventionsmaßnahmen viel tun, um diese Abwärtsspirale zu verhindern, bevor es zu einer so akuten Erkrankung kommt.

Hintergrund: psychische und physische Gesundheit sind eng verknüpft

Chronischer Stress kann vielfältige physische Krankheiten nach sich ziehen, da Psyche und Körper eng verknüpft sind. Stress tritt normalerweise kurzfristig auf und ist auch von kurzer Dauer: Er versetzt den Körper in einen Alarmzustand und signalisiert ihm „Gefahr”. Das Gehirn reagiert darauf mit einem sogenannten „Regelkreis”: Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde im Gehirn sorgen für eine vermehrte Ausschüttung von Cortisol, dem Stresshormon Nr. 1. In der Folge schlägt das Herz schneller, man verspürt vermehrte Unruhe, das Immunsystem und die Verdauung werden heruntergefahren, um mehr Energie zur Bekämpfung der Gefahr oder für eine Flucht bereitzustellen. Erst, wenn die Gefahr nicht mehr wahrgenommen wird, stoppt der Körper die Cortisol-Ausschüttung. Dauerstress führt aber dazu, dass immer weiter Cortisol produziert wird und Körper wie Geist dauerhaft unter Strom stehen. Dazu kommt erschwerend, dass die Teile des Gehirns, die für das Stresserleben zuständig sind, auch für Launen und Stimmungen verantwortlich zeichnen! Umso länger dieser Dauerstress anhält, umso mehr steigt die Gefahr, körperlich und geistig zu erkranken.

Anstieg psychischer Erkrankungen durch Corona

Die DAK verzeichnet wie erwähnt für das Corona-Jahr 2020 einen Höchststand von Ausfalltagen im Job wegen psychischer Erkrankungen unter den Versicherten. Die häufigsten Ursachen waren Depressionen und sogenannte Anpassungsstörungen. Letztere beschreiben Reaktionen auf eine entscheidende Lebensveränderung oder belastende Lebensereignisse, die häufig den Gemütszustand verschlechtern oder Störungen des Sozialverhaltens nach sich ziehen. Die Ergebnisse der Psychotherapieforschung legen nahe, dass die psychische Widerstandsfähigkeit, die sogenannte Resilienz, durch lange dauernde Krisen wie die Corona-Pandemie ohne absehbares Ende besonders leidet. Davor ist inzwischen kaum noch jemand gefeit.

(Kein) Tabu am Arbeitsplatz: Psychische Krankheiten

Die Corona-Pandemie zeigt alarmierend deutlich, wie wichtig und schützenswert unsere mentale Gesundheit ist. Gleichzeitig sind psychische Belastungen immer noch ein gesellschaftliches Tabu, über das wenig gesprochen wird. Vor allem im beruflichen Umfeld wird die mentale Gesundheit oft kaum thematisiert. Viele Betroffene scheuen sich aus Scham oder Angst vor Ausgrenzung oder negativen Konsequenzen wie etwa Einschränkungen beim beruflichen Aufstieg über psychische Erkrankungen zu sprechen. Denn noch immer herrschen vielfach wenig Kenntnis und Verständnis darüber vor.

Axa Mental Health Report, September 2020. Grafik: © AXA Konzern AG

Psychische Krankheiten weniger akzeptiert als körperliche Leiden

Körperliche Krankheiten, ob Erkältung oder gebrochenes Bein, werden als selbstverständliche Gründe für einen Arbeitsausfall akzeptiert. Bei psychischen Erkrankungen ist dies häufig nicht der Fall. So geben in einer Umfrage des Personaldienstleisters ADP von 2019 nur etwas über einem Fünftel der Teilnehmenden an, dass sie ihrem Chef oder ihrer Chefin von einer psychischen Erkrankung erzählen würden. 30 Prozent würden nur mit Freunden:innen oder Kolleg:innen darüber sprechen, weitere 30 Prozent würden sich am Arbeitsplatz niemandem anvertrauen.

Keine Führungsposition für psychisch erkrankte Mitarbeiter:innen?

Woran liegt das? Depressionen sind noch ein großes Stigma. Zu groß ist die Befürchtung der Betroffenen vor negativen Folgen. Häufig gelten psychisch erkrankte Mitarbeiter:innen als weniger belastbar und leistungsfähig und haben beispielsweise weniger Chancen auf Führungspositionen oder andere verantwortungsvolle Aufgaben. Ein Beispiel: Anne W, 37, leitet eine Abteilung mit zehn Mitarbeitern:innen in einem großen Berliner Start-up. Seit zwei Jahren leidet sie außerdem unter Depressionen. An ihrem Arbeitsplatz weiß niemand davon, da ihre Chefin nicht gut auf „jegliche Ausfälle” reagiert und sie befürchtet, nicht mehr ernst genommen zu werden, wenn sie um Hilfe bittet und zugibt, dass es ihr derzeit nicht gut geht. Ihre mentale Belastung ist inzwischen enorm gestiegen: Während der Corona-Krise puffert sie die Probleme besonders gestresster Mitarbeitern:innen im Homeoffice ab und sieht sich aufgrund zahlreicher neuer Aufgaben mit noch mehr Meetings und Überstunden konfrontiert – sie findet aufgrund der sozialen Einschränkungen zudem immer weniger Ausgleich im Privaten. Der wirtschaftliche Druck steigt in ihrer Firma zunehmend, da aufgrund der Pandemie Aufträge weggebrochen sind.

Die Diagnose Depression ist kein beruflicher Makel

Dabei sind Depressionen, Burnout & Co. keine persönliche Schwäche, die es zu kaschieren gilt, sondern Krankheiten, die mit den richtigen Mitteln gut behandelbar sind, wenn sie frühzeitig erkannt werden. Betroffene sind dann beruflich nicht eingeschränkt. Idealerweise sollten sich arbeitsbedingte psychische Erkrankungen wie Burnout durch präventive Maßnahmen im Betrieb in vielen Fällen verhüten lassen. Anne W. jedenfalls hat in einem Employee Assistance Program (EAP) die Unterstützung gefunden, die sie braucht, um wieder neue Kraft für die vielen neuen Aufgaben während der Pandemie zu schöpfen. Per App nimmt sie an einem Anti-Stress-Progamm mit Entspannungsübungen und zahlreichen Tipps zum Stress-Ausgleich teil und tauscht sich außerdem wöchentlich mit einer unabhängigen Psychologin in einer Tele-Sprechstunde aus – ganz ohne sich vor ihrer Chefin unmittelbar „outen” zu müssen.

Employee Assistance Programme bieten psychisch belasteten Mitarbeitern:innen während der Pandemie optimale Unterstützung, zum Beispiel per Tele-Sprechstunde. Foto: iStock/alvarez

Bewusstsein für psychische Gesundheit in Unternehmen wächst

Die Corona-Krise steigert auch im beruflichen Umfeld die Awareness dafür, wie wichtig und schützenswert die mentale Gesundheit ist. Zum einen registrieren Unternehmen die bereits erwähnte Entwicklung zu immer mehr Fehltagen aufgrund psychischer Krankheiten. Zum anderen stehen vor allem jüngere Arbeitnehmer:innen dem Thema Mental Health immer offener gegenüber und suchen aktiv nach Austausch und Hilfestellungen dazu. Insbesondere die Corona-Krise trägt dazu bei, dass Menschen verstärkt die psychischen Belastungen dieser Zeit thematisieren und offener damit umgehen. Deshalb ist es gerade jetzt umso wichtiger, dass sich Firmen mit psychischer Gesundheit beschäftigen und dieses wichtige Zukunftsthema aufgreifen – um ihre Mitarbeiter dort anzuholen, wo sie während der Pandemie stehen. „Unternehmen erkennen immer mehr, dass es sich umfassend lohnt, aktiv Gesundheitsprävention zu betreiben und in gesunde, zufriedene Mitarbeiter:innen zu investieren“, erklärt MEDISinn-Gesundheitsberaterin und Psychologin Susanne Schneider.

Investitionen in psychische Gesundheit zahlen sich aus

Psychische Krankheiten nehmen nachweislich Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen. So gibt die WHO an, dass die Weltwirtschaft allein durch Depressionen und Angststörungen aufgrund von Produktionsausfällen jährlich Einbußen von etwa einer Billion US-Dollar verzeichnet. Laut DAK haben 2020 psychisch bedingte Krankheitsfälle durchschnittlich zu 39 Ausfalltagen unter ihren Versicherten geführt – das ist so lange wie noch nie zuvor. Der Bundesverband der Psychotherapeuten gibt an, dass psychische Erkrankungen für rund 42 Prozent der Frührenten aufgrund von Arbeitsunfähigkeit verantwortlich sind. Diese Tendenzen zeigen bereits, wie notwendig Investitionen in die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz sind. Dass sie sich auch auszahlen, erläutert eine Schätzung der WHO: Sie geht davon aus, dass jeder US-Dollar, der in die Behandlung von psychischen Störungen fließt, eine Rendite von fünf US-Dollar erzielt – durch verbesserte Gesundheit und Produktivität. Das bedeutet für Unternehmen, dass sie mit gezielten psychischen Präventionsmaßnahmen in Zukunft viele Kosten sparen können.

Nicht zu unterschätzen sind außerdem die positiven Auswirkungen auf die Mitarbeiter:innen: Psychische Präventionsmaßnahmen verbessern nachweislich die Zufriedenheit der Angestellten. Zufriedene Mitarbeiter:innen sind leistungsfähiger und motivierter. Dieses Plus an Motivation, die damit verbundene Freude bei der Arbeit sowie Leistungsfähigkeit lassen sich gar nicht berechnen und sind unbezahlbar. Eins ist sicher: Die Zahl dürfte eindrucksvoll ausfallen! Für Unternehmen sind dies echte Erfolgsfaktoren.

Mentale Gesundheit beim Employer Branding nutzen

Angestellte legen immer mehr Wert darauf, dass ihr Arbeitgeber auch die mentale Gesundheit im Blick hat und fördert. Dies trifft gerade auf jüngere Arbeitnehmer:innen zu, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen. Psychische Präventionsangebote werden für Mitarbeiter:innen zunehmend zu wichtigen Incentives. Im Wettbewerb um qualifizierte Bewerber dienen sie künftig umso mehr als Argument, um für potenzielle Fach- und Führungskräfte attraktiver zu sein sowie engagierte Mitarbeiter:innen langfristig an das Unternehmen zu binden.

„Unternehmen sollten gerade jetzt in der so belastenden dritten Pandemiewelle aktiv Fürsorge für ihre Mitarbeiter:innen betreiben. Fragen Sie nach, wie es Ihren Angestellten derzeit geht“, sagt MEDISinn-Gesundheitsberaterin und Psychologin Susanne Schneider. „Es ist sehr wichtig, die Bindung zu den Mitarbeitern:innen nicht zu verlieren und Verständnis für die besondere Situation und ihre individuellen Auswirkungen auf jeden Einzelnen zu zeigen.” Ein erster Schritt sind digitale Mitarbeiterbefragungen im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung. „Genauso zentral ist aber der persönliche Bezug jeder Führungskraft zu ihren Mitarbeitern:innen. Bieten Sie vermehrt Gespräche an, auch über die persönliche Situation! Und geben Sie konkrete Hilfestellungen, etwa für Eltern, die nun im Homeoffice Kinder nebenher betreuen müssen”, rät Susanne Schneider weiter.

Digitale Gesundheitstage in der Pandemie

Digitale Gesundheitstage sind außerdem ein guter Weg, um weiterhin aktiv Präventionsangebote zu realisieren und etwa in Vorträgen zu den Anzeichen depressiver Verstimmung aufzuklären, verschiedene Entspannungsverfahren auszuprobieren, wertvolle Tipps für die Arbeit im Homeoffice zu geben und etwa teambildende Maßnahmen durchzuführen. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie gut digitale Präventionsmaßnahmen ankommen und was sie als erster Schritt alles schon anstoßen können”, so das Fazit der MEDISinn-Gesundheitsberaterin zu bisher durchgeführten Maßnahmen.

Insgesamt gilt: Wer in psychische Präventionsmaßnahmen investiert, schafft eine Win-win-Situation für Mitarbeiter:innen und Betriebe.


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Wir haben die Top 10-Maßnahmen für Unternehmen zur Förderung psychischer Gesundheit zusammengestellt:

1. Analysieren Sie die Situation am Arbeitsplatz mit einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung

Wo steht das Unternehmen? Wie wirken sich die Arbeitsbedingungen auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiter:innen aus? Eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung beleuchtet, ob Arbeitsbedingungen im Betrieb potentiell krankheitsauslösend sein können. Unternehmen können die Gefährdungsbeurteilung mit Hilfe verschiedener Methoden durchführen. Besonders geeignet ist derzeit eine digitale Mitarbeiterbefragung. Auf Basis dieser Verhältnisanalyse identifizieren Gesundheitsexperten passende und spezifische Maßnahmen gegen die Gefährdungsbereiche im Betrieb. Das heißt, dass nach der Analyse der eigentliche Prozess startet: Unternehmen können zu ihren spezifischen Risikofaktoren passende Maßnahmen umsetzen und deren Erfolg messen. So können Sie die Gesundheit der Mitarbeiter:innen aktiv fördern – indem sie die Arbeitsbedingungen bestmöglich anpassen.

Gut zu wissen: Seit 2014 sind Unternehmen in Deutschland sogar dazu verpflichtet, die psychischen Arbeitsbelastungen ihrer Arbeitnehmer:innen zu beurteilen und entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen zu ergreifen.

2. Integrieren Sie mentale Gesundheit in Ihre Unternehmensziele

Heben Sie den Stellenwert mentaler Gesundheit hervor, indem Sie diese ganz konkret als Unternehmensziel definieren. Das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeiter:innen sind schließlich eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung der Geschäftsstrategie. Gründen Sie zum Beispiel eine Mental-Health-Initiative, in der Personen verschiedener Bereiche wie HR, Betriebsmedizin, Führungskräfte und Mitarbeiter:innen das Thema gemeinsam als Unternehmensziel voranbringen. Nutzen Sie Ihre Bemühungen auch im Bereich Corporate und Employer Branding.

3. Binden Sie Führungskräfte ein

Psychische Gesundheit sollte Teil der Führungskultur sein. Holen Sie Führungskräfte aller Ebenen an Bord! Wenn Vorgesetzte offen mit dem Thema umgehen, nimmt dies den Mitarbeiter:innen die Furcht, darüber zu sprechen. Chefs und Chefinnen können mit gutem Beispiel vorangehen, die Gesundheitsangebote des Unternehmens wahrnehmen und offen über Erholung und mentales Wohlbefinden sprechen.

4. Befreien Sie psychische Gesundheit von der gesellschaftlichen Stigmatisierung

Dabei helfen gezielte, insbesondere faktenbasierte Kommunikation und Aufklärungsarbeit zur Zunahme von psychischen Erkrankungen in der Gesellschaft. Im Rahmen von Best Practices und Kampagnen können Sie in der internen Kommunikation gezielt das Verständnis für psychische Erkrankungen steigern. Arbeiten Sie dabei aktiv gegen typische Vorurteile: Depressionen lassen sich zum Beispiel keineswegs mit mehr Disziplin und Willen aushebeln und haben nichts mit Faulheit, Unvermögen oder persönlicher Schwäche zu tun – das belegen etwa Beispiele von an Depression erkrankten Spitzensportlern!

5. Gliedern Sie Mental Health Goals in Team- und Management-Ziele ein

Um psychische Gesundheit weiter in den Arbeitsalltag zu integrieren ist es sinnvoll, Teams und einzelne Mitarbeiter:innen auch Mental Health Ziele festlegen zu lassen und sich darauf zu committen. Sie sollten ihren Fortschritt außerdem von Zeit zu Zeit überprüfen. Das hilft, das Thema konkret im Alltag zu etablieren. Auch hier gilt, dass Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen sollten. Als Beispiele führt die Unternehmensberatung McKinsey an, dass auch C-Levels offen über Urlaub und den hohen Stellenwert von Erholung sprechen sollten. Es kann allein schon entlastend wirken, von einer Führungskraft zu hören, dass sie im Homeoffice einen Mittagsschlaf macht oder bestimmte Entspannungsmethoden nutzt, um frische Energie zu tanken.

6. Legen Sie Wert auf Prävention

Geben Sie Ihre Mitarbeiter:innen die nötigen Tools und Fähigkeiten an die Hand, um ihre psychische Gesundheit zu stärken und Erkrankungen zu vermeiden. Präventionsmaßnahmen reichen von Vorträgen über Kurse und Seminare bis hin zu Sport-Trainings. Ermutigen Sie Angestellte, diese Möglichkeiten wahrzunehmen und binden Sie diese in die persönlichen Weiterbildungsmaßnahmen jedes und jeder Einzelnen ein.

7. Bieten Sie psychologische Unterstützung im Unternehmen an

Ermöglichen Sie den Arbeitnehmer:innen einen niedrigschwelligen Zugang zu psychologischer Beratung. Vor allem in größeren Unternehmen kann es sinnvoll sein, neben Betriebsmediziner:innen auch Psychotherapeuten:innen im Betrieb zu haben, die Angestellten anonym und vertraulich zur Verfügung stehen.

8. Arbeiten Sie mit externen Experten zusammen

Eine weitere Möglichkeit ist es, mit externen Experten und Instituten zusammenzuarbeiten und hierüber ein Employee Assistance Program (EAP) anzubieten. Ihre Mitarbeiter:innen können eine externe Beratung – etwa per Telefon oder Video-Talk – in Anspruch nehmen, um sich in ganz unterschiedlichen Situationen unterstützen zu lassen. Häufig gibt es solche Angebote bereits in Unternehmen – sie werden aber ebenso oft zu wenig wahrgenommen. Machen Sie Ihre Mitarbeiter:innen immer wieder darauf aufmerksam und ermutigen Sie die Angestellten, EAP-Programme zu nutzen.

9. Bieten Sie digitale Mental Health Angebote an

Genau wie die Telemedizin sind auch digitale Mental Health-Angebote auf dem Vormarsch. Verschiedene Apps für Meditation und besseren Schlaf lassen sich ganz einfach und schnell in ihr Mental Health-Programm integrieren – bekannte Beispiele sind zum Beispiel Calm, 7Mind, Headspace oder Moodgym, ein Online-Selbsthilfeprogramm zur Prävention von Depressionen. Digitale Angebote ermöglichen einen besonders niedrigschwelligen Zugang, um mentale Gesundheit zu fördern und bieten eine erste Anlaufstelle für interessierte Mitarbeiter:innen.

10. Unterstützen Sie Mitarbeiter:innen in besonders herausfordernden Situationen wie der Corona-Krise

In herausfordernden Zeiten ist es wichtig, dass Sie als Arbeitgeber ihren Mitarbeiter:innen möglichst viele Sorgen nehmen, um Stress zu reduzieren. In der Corona-Krise fängt dies bei einer sicheren Arbeitsumgebung an: Stellen Sie jederzeit ausreichende Hygienemaßnahmen sicher, bieten Sie Coronatests in hoher Frequenz an und ermöglichen Sie unkompliziert Homeoffice. Viele Mitarbeiter:innen mit Kindern benötigen auch konkrete Unterstützung bei schwierigen Betreuungssituationen wegen geschlossener Schulen und Kitas und dem damit einhergehenden Homeschooling: Bieten Sie flexible Arbeitszeiten an und erwägen Sie gemeinsam mit betroffenen Angestellten Möglichkeiten von unbezahltem oder Sonderurlaub. In Krisenzeiten machen sich Arbeitnehmer:innen auch Sorgen um die Zukunft des Unternehmens und ihres Arbeitsplatzes. Vorgesetzte sollten regelmäßig mit ihren Mitarbeiter:innen über solche existenziellen Ängste sprechen, um Ihnen neue Sicherheit zu vermitteln. Kommunizieren Sie, wie sich der Zukunftsplan der Firma nach der Corona-Krise gestaltet, insbesondere, wenn durch die Pandemie eine Neuausrichtung nötig wird.

Zusatz-Tipp

Stärken Sie gerade jetzt verlässliche digitale Kommunikationsstrukturen. Bieten Sie etwa die Möglichkeit, in wöchentlichen Meetings den Arbeitsfortschritt und die allgemeine Situation zu besprechen – sowohl innerhalb von Arbeitsteams wie in Einzelgesprächen zwischen Vorgesetzten und Angestellten. Strukturieren Sie die Zusammenarbeit noch sorgfältiger, um Fortschritte sichtbarer zu machen und Ihren Mitarbeitern:innen die Selbstorganisation zu erleichtern. So vermeiden Sie gefühlten Kontrollverlust im Homeoffice. Geben Sie außerdem öfter Feedback und steigern Sie so die Motivation, indem Sie gemeinsam Erreichtes aktiv reflektieren.

Fazit

Die Unternehmensberatung McKinsey bezeichnet die hier aufgezeigten Entwicklungen nicht weniger als eine "Mental Health Revolution". Und tatsächlich scheint die Corona-Krise als Katalysator für den Kulturwandel in der Arbeitswelt zu wirken: Ein offener Umgang mit dem Thema psychischer Gesundheit am Arbeitsplatz in Kombination mit aktiver Prävention kann hier tiefgreifende Veränderungen anstoßen, die sich für alle Akteure in Unternehmen lohnen. “Wann, wenn nicht während der Corona-Pandemie haben wir alle kollektiv gelernt, wie schützenswert und sensibel unser psychisches Gleichgewicht ist,” sagt MEDISinn-Gesundheitsberaterin Susanne Schneider.

Unser Resümee: Gehen Sie das Thema mentale Gesundheit in Ihrem Unternehmen an, es lohnt sich!


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Stand des Artikels: 21.04.2021
Der Autor

Ihr MEDISinn-Team

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