Delta-Variante: Wie gefährlich ist die Coronavirus-Mutation?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Delta-Variante ist aktuell die ansteckendste Variante: über 90 Prozent der Neuinfektionen sind auf sie zurückzuführen.
- Man geht davon aus, dass sie einen schwereren Krankheitsverlauf mit sich bringt, der mit einer verminderten Sauerstoffsättigung im Blut einhergeht.
- Deutschland blickt bereits auf ein „Mutations-Domino“ zurück und man kann erwarten, dass noch weitere Varianten auftreten werden. Aber: Corona-Impfungen können bei der Isolierung der Mutationen unterstützen.
- Darüber hinaus schützen Corona-Impfungen vor schweren Verläufen bei einer Infektion.
- AHA-Maßnahmen sind aber auch in naher Zukunft noch zu beachten – auch für Geimpfte. Dazu sollte speziell im Winter auf das +L geachtet werden: Lüften und Luftfilter leisten einen großen Beitrag bei der Vorsorge.
- Eine dritte Impfdosis ist hierzulande noch nicht im Einsatz. Währenddessen wird sie in anderen Ländern wie zum Beispiel Israel bereits verabreicht.
Eine hohe Infektions- und niedrige Impfquote begünstigen das Entstehen von Mutationen
Viren brauchen Zellen, im Falle von SARS-CoV-2 menschliche Zellen, in die sie ihre Erbinformationen einschleusen. Sie nutzen dabei auch die spezifischen Zellfunktionen, unter anderem für die eigene Vermehrung („Replikation“). Jedes Mal also, wenn sich das Coronavirus vermehrt und dabei sein Erbgut kopiert, kann es dort zu winzigen Zufallsveränderungen kommen. In den allermeisten Fällen haben diese Veränderungen keine oder kaum Auswirkungen auf das Virus. Doch in sehr seltenen Fällen kann es zu einer Kombination von Mutationen kommen, die das Virus grundlegend verändert. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, je mehr Menschen infiziert und je weniger geimpft sind.
Die Delta-Variante ist bislang die ansteckendste Variante
Heute ist die Delta-Variante B.1.617.2 in fast allen Teilen der Welt die vorherrschende Variante des Coronavirus. In Deutschland sind aktuell über 90 Prozent der Neuinfektionen auf sie zurückzuführen. Das ist kein Wunder, stellt man die Delta-Variante in den direkten Vergleich mit den zuvor aufgetretenen Mutationen: So haben Forscher Hinweise darauf gefunden, dass die Delta-Variante noch einmal mehr als 50 Prozent ansteckender ist als die in Großbritannien zuerst entdeckte Alpha-Variante, und diese war bereits ansteckender als das Ursprungsvirus (auch Wildtyp genannt). Hinzu kommt, dass die Delta-Variante – anders als andere Coronavirus-Mutationen – offenbar teilweise der Abwehrreaktion des menschlichen Körpers entgehen kann. Unabhängig davon wird laut New York Times in einem Forschungspapier des US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) auch diskutiert, ob sie womöglich eher zu einem schweren Verlauf führen kann.
Symptome und Verbreitung
Ein schwerer Verlauf bedeutet: Rasch steigendes Fieber, zunehmende Schwäche, starke Atemnot. Die Symptome sind so intensiv, dass man selbst oder Angehörige den Rettungsdienst rufen müssen. Bereits im Krankenwagen stellen die Rettungssanitäter und Notärzte oft eine niedrige Sauerstoffsättigung im Blut fest. In der Klinik zeigt dann die bildgebende Diagnostik im CT häufig eine sogenannte Milchglastrübung. Manchmal verschlechtert sich die Sauerstoffsättigung im Blut innerhalb weniger Stunden weiter, Betroffene geraten in Panik, und ein künstliches Koma mit Beatmung auf der Intensivstation wird notwendig. Bei der Delta-Variante sind solche Fälle womöglich häufiger als bisher.
Fest steht: Sie ist die Variante, die die meisten Menschen infizieren und sich am ehesten festsetzen kann. Kein Wunder, dass sie sich innerhalb von Wochen durchgesetzt hat. Evolution im Zeitraffer.
Deutschland kann bereits auf ein kleines „Mutations-Domino“ zurückblicken
Die anderen von der WHO als „besorgniserregend“ eingestuften Varianten wurden durch die Delta-Variante in den Hintergrund gedrängt: Die zuerst in Großbritannien entdeckte Alpha-Variante B.1.1.7, die deutlich ansteckender ist als der Wildtyp. Die Beta-Variante B.1.351, zuerst in Südafrika identifiziert, gegen die insbesondere der Impfstoff von AstraZeneca kaum zu wirken scheint. Die Gamma-Varianta P.1, die die brasilianische Stadt Manaus innerhalb kurzer Zeit in eine dramatische Notsituation brachte, als die Beatmungsgeräte nicht mehr ausreichten.
In Zukunft weitere neue Varianten?
Schon heute kann man in Deutschland auf ein kleines „Mutations-Domino“ zurückblicken: Zuerst dominierte der Wildtyp, der wurde dann von der britischen Alpha-Variante verdrängt, und diese wurde nun von der Delta-Variante abgelöst. Wie wird es weitergehen? Forscher sind recht einhellig der Meinung, dass auch in Zukunft immer wieder neue Varianten entstehen werden. Doch das muss nicht unbedingt zum Problem werden. Denn die Infektion begrenzt sich selbst: Ein Virus, das besonders aggressiv ist und rasch schwere Verläufe hervorruft, würde sich genau deshalb auch weniger ausbreiten. Denn die Erkrankten würden schneller isoliert und könnten somit weniger Menschen anstecken. Und auch die Corona-Impfungen leisten ihren Beitrag zur Isolierung.
COVID-19-Impfstoffe schützen gut vor schweren Verläufen
Die Zeit läuft aktuell gegen das Virus, denn mit jedem Tag steigt die Impfquote etwas mehr an – zugunsten aller Menschen. Zwar schützen die COVID-19-Impfstoffe etwas weniger vor Infektionen durch die Delta-Variante als vor Infektionen mit dem Ursprungsvirus. So verhindert etwa die Biontech-Impfung zu über 90 Prozent eine Infektion mit dem Wildtyp. Vor der Delta-Variante schützt sie alerdings laut neuester Daten aus Israel nur noch zu 39 Prozent. Bei den anderen Impfstoffen liegen noch keine verlässlichen Daten vor. Da jedoch etwa der AstraZeneca-Impfstoff nur einen geringen Schutz gegen die südafrikanische Variante bietet, dürften die Zahlen hier eher niedriger als höher ausfallen.
Keine stationäre Behandlung dank Impfung
Doch auch wenn die COVID-19-Impfstoffe etwas weniger gut vor einer Infektion durch die Varianten schützen, so verhindern sie immerhin noch sehr gut schwere Verläufen. Und darauf kommt es letztendlich für den Einzelnen an. Einer Studie der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) zufolge schützen die Impfungen von Biontech/Pfizer zu 96 Prozent davor, so schwer zu erkranken, dass eine stationäre Behandlung nötig wird. Beim Vakzin von Astrazeneca liegt die Quote bei 92 Prozent.
Ein entscheidender Zusammenhang: Die Varianten, der COVID-19-Impfstoff und das Spike-Protein
Ob zukünftig eine Variante entstehen kann, gegen die die Corona-Impfungen gar nicht schützen, kann niemand sicher sagen. Carlos A. Guzmán, Leiter der Abteilung „Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, ist angesichts der weiteren Wirksamkeit der Impfstoffe recht optimistisch. Er begründet das mit dem Fragment des Virus, am dem der Impfstoff ansetzt: dem sogenannten Spike-Protein des Virus. Es ist dafür zuständig, dass das Virus an die menschlichen Zellen, beispielsweise an die Lungenzellen, andockt und diese infiziert. Bisher weisen alle besorgniserregenden Mutationen – auch die Delta-Variante – ein verändertes Spike-Protein auf. Verändert sich dieses Protein durch weitere Mutationen so sehr, dass das geimpfte Immunsystem sie nicht mehr erkennt, dann verliert das Virus mit hoher Wahrscheinlichkeit gleichzeitig aber auch die Fähigkeit, an die Zellen anzudocken – und wäre somit nicht mehr infektiös. Trotz alldem wird das Virus nicht einfach verschwinden. Und die avisierte Herdenimmunität rückt wieder ein Stück weiter in die Ferne angesichts der gesteigerten Ansteckungswahrscheinlichkeit der Varianten auch für Geimpfte. Entsprechend dürfte auch die Maske weiterhin zu den Alltagsgegenständen zählen, an die man denken sollte, wenn man die Wohnung verlässt.
Trotz Impfungen: Auch der kommende Winter wird im Zeichen von AHA+L stehen
Zumindest in diesem Winter ist noch davon auszugehen, dass in den allermeisten geschlossenen Räumen weiterhin die Maskenpflicht gilt – auch an den Arbeitsplätzen, sei es im Büro oder in der Fertigungshalle. Weiter gelten werden auch die anderen Maßnahmen, vor allem die sogenannte AHA+L-Regel (A für Abstandsregeln einhalten. H für Hygieneregeln beachten. A für Alltagsmasken tragen. Und L für Lüften.). Das Lüften sollte je nach Räumlichkeiten und Jahreszeit unbedingt auch weiter praktiziert werden. So empfiehlt beispielsweise die Kultusministerkonferenz, in den Klassenräumen der Schulen alle 20 Minuten zu lüften.
Luftreiniger in Kantine und Eingangsbereich können sinnvoll sein
Es bleibt weiterhin zentral, die Mitarbeiter:innen über AHA+L-Regeln und ihre Notwendigkeit zu informieren. Im Vordergrund steht natürlich der Schutz vor Infektionen. Es geht im Kern darum, die Ausbreitung des Virus zu unterbinden. Auch eine Aufklärung über den Sinn und Zweck sowie die Notwendigkeit der Maßnahmen bleibt wichtig, um diejenigen Mitarbeiter:innen ins Boot zu holen, die vor allem die Maskenpflicht zunehmend als störend empfinden. Angesichts der Tatsache, dass Abstand und Maskenpflicht weiter im Vordergrund stehen, sollte auch die Option Homeoffice – sofern sie der Arbeitsbereich ermöglicht – weiterhin eine wesentliche Rolle spielen: sowohl in der strategischen Planung des Unternehmens als auch in der praktischen, möglichst reibungsarmen Umsetzung.
Eine weitere Maßnahme, die in Unternehmen vor allem in Räumen Sinn macht, in denen viele Mitarbeiter ein- und ausgehen – etwa in der Kantine oder dem Eingangsbereich –, ist ein Luftreiniger mit UV-Licht. Die Geräte saugen Luft ein und reinigen sie im Inneren. Das kann etwa durch kurzwelliges UVC-Licht geschehen oder durch Luftfiltertechnologien. Auch Klimaanlagen können eine reinigende Funktion entfalten, wenn sie mit speziellen, sogenannten HEPA-Filtern ausgestattet werden. Die Luftreiniger sollten jedoch keinesfalls als Ersatz zum Lüften eingesetzt werden, sondern als Ergänzung. Denn häufiges Lüften ist immer noch die beste Möglichkeit, um rasch viele Viren loszuwerden.
Kommt hierzulande eine dritte Impfdosis? Das ist noch völlig offen
Von einer Option für geimpfte Mitarbeiter, den sogenannten Antikörpertiter zu bestimmen, um herauszufinden, ob ihre Impfung noch wirkt oder ob womöglich eine dritte Dosis sinnvoll sein könnte, ist bislang noch abzuraten. Zwar lässt sich aus den Antikörpertitern eine Tendenz herauslesen, inwieweit das Immunsystem bei einer Infektion reaktionsbereit ist. Dennoch sind die Ergebnisse dieser Tests bisher wenig aussagekräftig, da noch Daten und Standards fehlen. Derzeit wäre die Gabe einer dritten Impfdosis in Deutschland ohnehin noch nicht zugelassen. Ob es hierzulande bereits im Herbst oder Winter zur Gabe einer dritten Impfdosis kommt, ist bislang noch völlig offen. Dahingegen hat beispielsweise Israel vor Kurzem mit der Verabreichung der dritten Impfdosis begonnen, zunächst für alle im Alter von über 60 Jahren. Höchstwahrscheinlich aber ist in jedem Fall: Die Delta-Variante wird nicht die letzte dominante Variante sein. Irgendwo auf der Welt ist der neue Dominostein, die nächste dominante Variante, womöglich schon entstanden und hat bereits begonnen, sich auszubreiten. Doch – und das ist die gute Nachricht: Mit steigender Impfquote und weiter konsequent durchgeführten Vorsichtsmaßnahmen, sind wir gut dafür gewappnet.