Wiedereingliederung nach Burnout: eine Guideline für HR-Manager

Burnout-Fälle nehmen zu. Dementsprechend stehen auch Unternehmen immer öfter vor der Herausforderung, Beschäftigte nach deren Rückkehr wieder in den normalen Arbeitsalltag zu integrieren. Doch worauf müssen HR-Mitarbeiter:innen bei der Wiedereingliederung der psychisch erkrankten Mitarbeiter:innen achten? Unsere Guideline beantwortet die wichtigsten Fragen.

Kehren Mitarbeiter:innen, die aufgrund von Burnout länger arbeitsunfähig waren, wieder in den Beruf zurück, haben sie ein Recht auf Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM). Wir erklären, worauf es dabei ankommt. Bildquelle: istock/ shapecharge

Unter Tränen offenbarte der Fußball-Manager Max Eberl bei einer Pressekonferenz Anfang des Jahres, dass er „erschöpft und müde“ sei und nicht mehr die Kraft habe, „die Position so auszuführen, wie es der Verein verdient hätte“ (Anm. d. Red.: Max Eberl war von 2005 bis Ende Januar 2022 Sportfunktionär beim Fußball-Bundesligaverein Borussia Mönchengladbach). Die Offenheit Eberls und sein Mut, in aller Öffentlichkeit Einblicke in sein Seelenleben zu geben, nötigte vielen Menschen großen Respekt ab – auch außerhalb der Fußballbranche. Denn sie lenkt die Aufmerksamkeit auf ein Problem, das viele Menschen in Deutschland betrifft: Psychische Belastungen am Arbeitsplatz.

Psychische Erkrankungen nehmen zu

Wie weitreichend das Problem ist, zeigen die Statistiken: Laut dem Fehlzeiten-Report 2021 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) waren psychische Erkrankungen bei den AOK-versicherten Beschäftigten 2020 mit 12 Prozent aller Krankheitsfälle die zweithäufigste Krankmeldungsursache. Insgesamt ist die Zahl der psychischen Erkrankungen und die daraus resultierenden Fehltage seit 2010 um 56 Prozent gestiegen. Niemand ist vor psychischen Belastungen am Arbeitsplatz gefeit, egal in welcher Branche und unabhängig von der Position. Umso wichtiger ist es daher, einer möglichen Erkrankung rechtzeitig vorzubeugen.

Aktuelle Studien beweisen, dass psychische Erkrankungen weiterhin der zweithäufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit in Deutschland sind. Präventive wie kurative Maßnahmen sollten daher in jedem Unternehmen Priorität haben. Bild- und Informationsquelle: Fehlzeiten-Report 2021

Burnout im Speziellen

Erst seit Januar 2022 ist Burnout im offiziellen Diagnosekatalog der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Klassifizierung von Krankheiten als eigenständiges Syndrom gelistet. Burnout ist demnach ein Syndrom aufgrund von „Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet werden kann“. Die Krankheit manifestiert sich in einem Gefühl von Erschöpfung, in einer zunehmend negativen Haltung zum Job bei vorhergehendem großem Engagement und in einem reduzierten beruflichen Leistungsvermögen. Das Burnoutsyndrom wird gemeinhin als Vorstufe der Stressdepression bezeichnet.

Aktuelle Studien zeigen, dass die Anzahl von Fehltagen aufgrund einer Burnout-Erkrankung weiterhin ansteigen. Unternehmen können Betroffene, die nach mehr als sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit in den Job zurückkehren, aktiv dabei unterstützen, gesunde neue Strukturen zu finden und sich wieder einzufinden. Bildquelle: istock/ PeopleImages

Zwischen 2011 und 2020 haben sich die Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund der Diagnosegruppe Z73 (hierunter fällt Burnout) je 1.000 AOK-Mitglieder von 96,9 auf 131,7 Tage um fast 36 Prozent erhöht. Alters- und geschlechtsbereinigt hochgerechnet auf die mehr als 40 Mio. gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten waren im Jahr 2020 circa 180.000 Menschen mit insgesamt 4,5 Mio. Fehltagen wegen eines Burnouts krankgeschrieben.

Eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigt deutlich, dass der Anteil an Krankheitstagen aufgrund von Burnout in den letzten zehn Jahren kontinuierlich anstieg. Zwischen 2011 und 2020 ist dieser Anteil um rund 36% gewachsen. Bild- und Informationsquelle: Fehlzeiten-Report 2021

Wiedereingliederung nach einem Burnout – der rechtliche Rahmen

Wer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt krank war, hat das Recht auf ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM). Dabei wird die Arbeitszeit über einen Zeitraum von mehreren Wochen schrittweise erhöht. Die rechtliche Grundlage für das BEM bildet der Paragraf 167 Absatz 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch. Davon zu unterscheiden ist die stufenweise Wiedereingliederung, sie ist eine freiwillige Maßnahme und für Unternehmen nicht verpflichtend.

Der idealtypische Ablauf des BEM lässt sich grob in sechs Schritten zusammenfassen:

  1. BEM-Verfahren einleiten: Arbeitgeber sind zwar verpflichtet, ihren Mitarbeiter:innen unter den eben genannten Voraussetzungen ein BEM anzubieten. Allerdings sollte dies der jeweiligen Person nicht aufgezwungen, sondern vielmehr als Option auf freiwilliger Basis angeboten werden. Es gilt, eine positive und vertrauensvolle Atmosphäre herzustellen.
  2. Über die Ziele des BEM informieren: Als nächstes sollten HR-Verantwortliche offen und transparent über die Ziele des BEM informieren. Wichtig ist es, auf etwaige Bedenken der Beschäftigten – zum Beispiel in puncto Datenschutz – einzugehen und diese auch ernst zu nehmen.
  3. Zustimmung des/der Betroffenen zum BEM: Wie schon im ersten Punkt erwähnt, sollte der oder die Betroffene auf keinen Fall zum BEM gedrängt werden – die Einwilligung ist selbstverständlich freiwillig.
  4. BEM-Gespräch durchführen: Nach erfolgter Einwilligung steht nun das Erstgespräch an. Es findet entweder mit dem BEM-Verantwortlichen allein oder mit weiteren Beteiligten – etwa aus dem Betriebsrat – statt. Entscheidend ist es dabei, herauszufinden, ob die Fehlzeiten mit den Arbeitsbedingungen zusammenhängen. Als BEM-Verantwortliche/-r können Sie hier natürlich auch auf die Gefährdung des Arbeitsverhältnisses durch die Fehlzeiten hinweisen und deutlich machen, dass eine aktive Mitarbeit der betroffenen Person im BEM-Verfahren erforderlich ist.
  5. BEM-Ziele erörtern und festlegen: Nun gilt es, gemeinsam konkrete Ziele festzulegen. Neben betrieblichen Ursachen sollten hier auch die persönlichen Lebensumstände der Mitarbeiter:innen Beachtung finden. Denn gerade bei Erkrankungen der Psyche spielen psychosoziale Faktoren eine gewichtige Rolle.
  6. Ende des BEM: Abgeschlossen ist das BEM erst dann, wenn die Fehlzeiten dauerhaft unter die Sechs-Wochen-Grenze gesunken sind. Ein Fragebogen zum Ende des BEM kann Personalverantwortlichen wertvolle Rückschlüsse geben. Durch das Feedback lässt sich das BEM stetig weiterentwickeln.

Wiedereingliederung nach Burnout – worauf es in der Praxis ankommt

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat in einer aktuellen Studie untersucht, welche Faktoren nach einem Burnout entscheidend sind, damit die Wiedereingliederung in den Job erfolgreich und nachhaltig verläuft. Demnach sind vor allem vier Aspekte ausschlaggebend:

  1. Selbstwirksamkeit als individuelle Schlüsselkompetenz: Konkret bedeutet dies, dass die Betroffenen versuchen müssen, ihre persönliche Resilienz zu stärken. Neben dem Vertrauen, auch schwierige Situationen meistern zu können, gehört dazu auch, „nein“ sagen zu lernen, um somit einer erneuten Überforderung vorzubeugen.
  2. Unterstützung durch Vorgesetzte und Kolleg:innen: Zentral ist hier die Wertschätzung durch Vorgesetzte, aber auch die Anerkennung durch Kolleg:innen. Dazu gehören ein fairer und achtsamer Umgang in der sensiblen Rückkehrphase, konstruktive Rückmeldungen und das Gefühl, wieder als vollwertiges Teammitglied wahrgenommen zu werden.
  3. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers: Hier kommt es darauf an, dass der Arbeitgeber dem oder der Betroffenen im Rahmen des BEM ernsthaft helfen will und nicht mit Sanktionen droht. Nur so kann ein betriebliches Vertrauensklima entstehen, von dem letztendlich beide Seiten profitieren.
  4. Professionelles Wiedereingliederungs-Coaching: Feedback-Gespräche beziehungsweise ein unterstützendes Coaching-Angebot runden den „Return-to-Work“-Prozess ab. Eine Begleitung von externer Seite ist bei der Wiedereingliederung nach psychischen Erkrankungen und Burnout besonders ratsam, um die volle Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter:innen wieder herzustellen und nachhaltig zu sichern.
Das umfassende Return-to-Work-Modell der BAuA zeigt, wie betriebliches Wiedereingliederungsmanagement nach einer psychischen Erkrankung erfolgreich gelingen kann. Bild- und Informationsquelle: BAuA

Fazit

Angesichts der steigenden Zahl an Burnout-Erkrankungen in unserer Gesellschaft wird die Wiedereingliederung von erkrankten Beschäftigten in der Arbeitswelt immer relevanter. HR-Verantwortliche sollten darauf vorbereitet sein, indem sie einen klaren Ablaufplan für die Rückkehr von Burnout-Patienten im Unternehmen implementieren und die entscheidenden Erfolgsfaktoren der Wiedereingliederung kennen.


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Stand des Artikels: 12.05.2022
Die Autorin

Alina Nagel

MEDISinn-Redaktion
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