Endlich entspannen – die richtige Technik für jede:n

Immer mehr Menschen in Deutschland fühlen sich gestresst – in der Corona-Pandemie hat die Zahl sogar noch einmal zugenommen. 80 Prozent gaben in einer Studie an, in den vergangenen Monaten Stress verspürt zu haben. Hält er über einen längeren Zeitraum an, kann Stress krankmachen. Doch mit den richtigen Entspannungstechniken kann man Stresssituationen in Grenzen halten und den Körper schnell wieder zur Ruhe bringen. Wir zeigen die besten Methoden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer mehr Menschen fühlen sich gestresst
  • Stress an sich ist nichts Negatives, wenn man für Ausgleich sorgt
  • Dauerstress aber kann krank machen
  • Jeder muss die für sich richtige Entspannungsmethode finden
  • Sport kann Stress abbauen
  • Achtsamkeitsübungen (MBSR) können entspannen und erden
  • Meditation hilft loszulassen
  • In der Natur können wir Kraft tanken
  • Gezielte Anspannung kann zu Entspannung führen
Stress ist zumeist nicht nur unumgänglich, sondern treibt uns auch zu Höchstleistungen an. Was dabei aber dringend nötig ist: Sich danach auch wieder zu entspannen, um den Stress nicht zur Dauerbelastung werden zu lassen. Bildquelle: iStock/Adene Sanchez

Ständiger Zeitdruck im Job, Unsicherheit bei der Kinderbetreuung und dazu finanzielle Sorgen – immer mehr Menschen in Deutschland fühlen sich gestresst. Corona hat die Situation noch verschärft: Gut ein Drittel der Bundesbürger fühlt sich seit der Pandemie häufiger gestresst als vorher. Hält Stress über einen längeren Zeitraum an, kann er krank machen. Die richtigen Entspannungstechniken können helfen, Stress abzubauen und Körper und Geist wieder zur Ruhe zu bringen. Wir zeigen die besten Methoden.

Stress ist durchaus sinnvoll

Reisen wir einmal etwa 100.000 Jahre zurück: Ein Steinzeitmensch sitzt schläfrig im Eingang seiner Höhle. Plötzlich knackt in der Nähe ein Holz. Sofort ist unser Vorfahre hellwach und bereit zum Kämpfen oder Fliehen. Innerhalb von Millisekunden schüttet sein Körper Hormone aus, unter anderem Noradrenalin, Adrenalin und Cortisol. Dadurch werden seine Muskeln optimal durchblutet, der Körper vollgepumpt mit Sauerstoff. Die äußeren Körperbereiche sind mit Immunzellen und Gerinnungsstoffen gefüllt, um eine mögliche Verletzung besser verkraften zu können. Alle nicht lebenswichtigen Körperfunktionen wie die Verdauung und die Sexualorgane sind nahezu abgeschaltet. Im Gehirn arbeiten jetzt die Bereiche, die den Urzeitmenschen schnell und effektiv handeln lassen.

Die beschriebene Körperreaktion sicherte das Überleben unseres Vorfahren. Und wenngleich die Auslöser heutzutage meist harmlos sind – ein unangenehmes Gespräch mit der Chefin oder die Präsentation, die längst schon fertig sein sollte – die Reaktion unseres Organismus auf Stresssituationen ist seither die gleiche geblieben.
In Kampfbereitschaft sein oder fliehen wie unser steinzeitlicher Vorfahre? Das ist oftmals nicht möglich und nicht hilfreich. Aber wenn wir uns nicht abreagieren können und auf die Anspannung keine Entspannung folgt, dann sinkt der Stresshormonspiegel den ganzen Tag über kaum. Aus einer kurzen Stresssituation wird eine stundenlange.

Dauerstress kann krank machen

Die Stressreaktion verfehlt ihren Zweck. Weil uns die Möglichkeit fehlt, die Stresshormone wieder ins Gleichgewicht zu bringen, ist sie sogar kontraproduktiv: Wer ständig gestresst ist und sich nicht mehr entspannen kann, wird weniger leistungsfähig. Das Immunsystem ist geschwächt, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck und Depressionen steigt. Nicht selten werden Menschen mit hohem, langanhaltendem Stress, wie zum Beispiel schweren Zukunftssorgen oder nach dem Tod des Partners, ernsthaft körperlich oder seelisch krank.

Stress, der lange und in starker Ausprägung andauert, birgt ernsthafte psychische wie auch körperliche Gefahren. Von Bluthochdruck über Schlafprobleme bis hin zu einem erhöhten Herzinfarktrisiko. Daher sollte auf stressbezogene Anspannung immer eine Entspannungsphase folgen. Bild- & Informationsquelle: https://anti-stress-team.de

Stress auf ein sinnvolles Maß begrenzen

Natürlich ist die Alarmbereitschaft des Körpers auch noch heute sinnvoll: vor einer Prüfung, einem wichtigen Meeting oder wenn tatsächlich Gefahr herrscht. Die natürlichen Reaktionen des Körpers schärfen die Sinne und lassen uns so Höchstleistungen vollbringen – und Fehler vermeiden. Fast wie eine natürliche Droge. Der Immunsystem-Booster verhindert, dass wir im entscheidenden Moment krank werden. „Stress an sich ist also nichts Negatives, aber chronischer Stress macht krank und schwächt das Immunsystem“, sagt die Achtsamkeitsexpertin und MBSR-Trainerin Verena Stein aus München. (MSBR steht für Mindfulness-Based Stress Reduction, zu deutsch: achtsamkeitsbasierte Stressreduktion)

Die richtige Entspannungsmethode muss jeder für sich selbst finden

Um wieder runterzukommen – also im wörtlichen Sinne den Stresshormonspiegel zu senken – gibt es viele Methoden. „Man muss nur diejenige finden, die zu einem selbst passt“, sagt Verena Stein. „Egal, ob man boxt, in die Natur geht oder Atemübungen macht – es geht immer darum, den Stresskreislauf zu unterbrechen, für einen Moment zu sich selbst zu kommen und zu entspannen.“ Um seine persönliche Entspannungsmethode zu finden, hilft nur, sich genau zu überlegen, was in den eigenen Alltag passt, was einem gefallen könnte und dann heißt es: ausprobieren. „Und dranbleiben! Anfänger sind oft sehr begeistert, weil sie etwas Neues erfahren. Danach beginnt die Arbeit erst – doch es lohnt sich: Es geht nicht darum, Spaß zu haben, sondern sich jeden Tag Zeit für sich selbst zu nehmen und mit dem Körper in Kontakt zu gehen.“

Es gibt unzählige Möglichkeiten, wie wir mit Stress besser umgehen können. Wichtig ist, dass die Entspannung ein Ausgleich zum Alltag ist: Wer körperlich hart arbeitet, braucht zum Entspannen also eher eine ruhige Methode. Wer hauptsächlich am Schreibtisch sitzt, kann dagegen meist besser runterkommen, wenn er sich beim Sport auspowert.

Entspannung ist nicht gleich Entspannung. Wer viel am Schreibtisch sitzt, tut sich mit Sport etwas Gutes. Wer eine körperlich belastende Arbeit ausführt, für den eignet sich eine ruhigere Methode. Entspannung sollte man in jedem Fall persönlich nehmen – und auch ernst. Bildquelle: iStock/Ivanko_Brnjakovic

Fünf Anti-Stress-Strategien – und für wen sie am besten geeignet sind:

1. Aktiver Stressabbau beim Sport

Wer sich beim Sport so richtig auspowert, verkürzt die Regenerationszeit nach Stresssituationen. Forscher des Psychologischen Instituts der Universität Kansas untersuchten, ob der subjektiv empfundene und der messbare Stress – also der Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz – durch Sport sinkt. Und tatsächlich hatten die sportlich-aktiven Teilnehmer:innen der Studie eine um 15 Prozent niedrigere Herzfrequenz. Die Wissenschaftler erklären, dass Stressoren auf Sportler zwar genauso wirken wie auf Menschen, die keinen Sport machen, dass die Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System jedoch geringer sind. Ein guter Grund also mit dem Sport anzufangen: Zwei bis dreimal in der Woche für 20 bis 30 Minuten bewegen hilft schon viel. Idealerweise fünfmal pro Woche mindestens 30 Minuten.

Welche Sportart man treibt, ob lieber drinnen oder draußen, im Team oder allein – das bleibt einem selbst überlassen. Zum Stressabbau eignen sich jedoch vor allem Ausdauersportarten wie Walken, Laufen, Fahrradfahren oder Schwimmen. Sportvereine, Fitnesskurse, Lauf- oder Tanzgruppen erhöhen die Verbindlichkeit und man überwindet leichter den inneren Schweinehund. Fangen Sie langsam an und steigern Sie die Intensität. Achten Sie dabei immer darauf, was Ihnen guttut.

2. Mit Achtsamkeit die Perspektive wechseln

Das Programm Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR), das auch Achtsamkeitssexpertin Verena Stein unterrichtet, wurde im Jahr 1978 von Prof. Dr. Jon Kabat-Zinn an der Universitätsklinik in Massachusetts, USA, entwickelt. „Ein Einsteigerkurs dauert acht Wochen, in denen man nahezu täglich übt. Vor allem geht es um den Perspektivwechsel, mit Stress anders umzugehen und ihn anders zu bewerten“, erklärt Stein. Das Ziel: „Im Augenblick präsent zu sein, den eigenen Körper wieder spüren und nicht ständig an den nächsten Punkt auf der To-do-Liste denken.“ Achtsamkeit zu üben, kostet nicht einmal zusätzliche Zeit: Wir können uns unseren Kaffee achtsam kochen, uns achtsam die Zähne putzen oder beim Feierabend achtsam den Computer ausschalten. Es geht darum, einer alltäglichen Sache seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Beim Zähneputzen hilft zum Beispiel der Trick, die Bürste in die linke Hand zu nehmen, wenn man eigentlich Rechtshänder ist. So konzentriert man sich automatisch auf diese Tätigkeit und ist nicht in Gedanken schon ganz woanders. Wenn man Achtsamkeit regelmäßig übt, kann die Methode auch im Akut-Fall Wirkung zeigen. In Deutschland wird MSBR als Maßnahme der Stressprävention von vielen Krankenkassen bezuschusst. Geeignet ist die Methode für viele: Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben die Wirksamkeit für sehr unterschiedliche Zielgruppen belegt.

3. Durch Meditation loslassen

Meditation wird in ähnlicher Art in verschiedenen Religionen praktiziert. Ihr Ziel ist aber immer gleich: der Stopp des inneren Dialogs, ein Innehalten der Gedanken. Um in den Zustand der Meditation zu kommen, hilft es, sich auf etwas zu konzentrieren: den eigenen Atem, ein Kurzgebet, eine Stelle an der Wand. Bis sich durch die ständige Wiederholung oder die Fokussierung die Gedanken an den Alltag auflösen. „Das Ergebnis ist im Idealfall, dass man wahrnimmt, dass und wie man innerlich mit sich selbst redet – und man lernt damit umzugehen“, sagt Verena Stein.
Wer kein Profi ist, kann am besten meditieren, wenn er ungestört ist – zum Beispiel gleich am Morgen nach dem Aufstehen, wenn alle anderen noch schlafen, oder abends, wenn man noch nicht zu müde ist. Man kann sich zum Meditieren hinlegen oder auf ein bequemes Kissen in den Schneidersitz setzen. Wichtig ist, dass der Atem fließt, also ruhig und gleichmäßig ist. „Die Gedanken sollten ebenfalls fließen dürfen – aber machen Sie sich keine Vorwürfe, wenn sich ein Gedanke festsetzt“, sagt Verena Stein. „Das ist ganz normal. Einfach bemerken und so gut es geht zurückkehren zum Atem.“ Wenn man regelmäßig übt, geht das Loslassen bald von ganz alleine.


Kleine Meditationsübung: Lassen Sie den Atem fließen und zählen Sie bis zehn. Jedes Ausatmen ist eine Zahl. Beginnen Sie nach der Zehn wieder mit der Eins.


4. Waldbaden – die Kraft der Natur tanken

In Japan nutzt man die Methode schon seit den 1980er Jahren: „Shinrin-yoku" heißt Waldbaden dort. Der Aufenthalt im Wald senkt nachweislich den Blutdruck und verbessert die Immunabwehr. Auch zeigen Probanden in Studien nach einem Waldspaziergang weniger Stresshormone im Blut. Inzwischen ist Waldbaden auch in Deutschland großer Trend. Die wichtigste Regel: Erlaubt ist, was guttut. Jeder kann individuell entscheiden, ob er oder sie eine halbe Stunde im Wald und im Einklang mit der Natur verbringt oder sogar eine ganze Nacht unter Baumkronen zeltet. Man kann Bäume umarmen oder einfach nur auf dem weichen Waldboden spazieren und tief durchatmen.

5. Progressive Muskelentspannung – durch Anspannung entspannen

Die Wirkung der Entspannungsübungen sind gut belegt. Bei 75 Prozent der Menschen, die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen ausprobierten, trat eine Besserung ihres Stressempfindens ein. Die Methode: Ein Muskel wird erst bewusst angespannt und dann später wieder bewusst entspannt. So erinnert man sich wieder an etwas, was man schon lange verlernt hat – das Wahrnehmen von Anspannungen und die Fähigkeit, diese in Entspannung umzuwandeln. Viele machen die Progressive Muskelentspannung im Liegen morgens nach dem Aufwachen oder abends, bevor sie ins Bett gehen. Sie fangen mit den Zehen an und schließen mit den Gesichtsmuskeln ab. Man kann die Methode aber auch auf dem Schreibtischstuhl oder im Aufzug anwenden – wenn man das Gesicht auslässt, sogar im Meeting.

Fazit

Unser Fazit: Probieren Sie möglichst viele Entspannungsmethoden aus, um die beste für sich zu finden und bleiben Sie am Ball!


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Stand des Artikels: 16.12.2021
Die Autorin

Alina Nagel

MEDISinn-Redaktion

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